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natürlich Erasmus, und in seiner Schilderung haben sie schon ihre Stelle gefunden. Nicht nur Gelehrte waren dabei. Künftige Staatsmänner, wie Johann von Vlatten, Christoph Carlowitz, Viglius von Aytha, der Handelsherr Johann Kleeberger kehrten im erasmischen Haus auf dem Nadelberg, im Sessel, bei Amerbach usw. an. 1524 hatte Erasmus den Besuch des jugendlichen und schon berühmten Joachim Camerarius. Kurz darauf den Besuch des Jacob Ceratinus, den er an die durch den Tod des Mosellanus erledigte griechische Professur in Leipzig empfohlen hatte. Nicht als raschen Besucher, sondern in monatelanger Anwesenheit und Hausgenossenschaft genoß er den Polen Johann a Lasco; nichts könne goldner und edelsteinener sein als Dieser, fand Erasmus; er verkaufte ihm schon damals seine Bibliothek auf die Zeit seines Todes. Im September 1528 kam der Zwickauer Janus Cornarius, von dem die Rede gewesen ist; er hatte in Wittenberg sowohl Griechisch als medizinische Wissenschaft gelehrt, auch praktiziert. Jetzt, nach weiten Reisen durch halb Europa, kam er nach Basel und hoffte auf eine Anstellung als Professor der Poetik; es wurde nichts daraus. Er nahm Teil an der Herausgabe einer Auswahl aus der griechischen Anthologie; Bonifaz Amerbach und Sichart gewann er zu Freunden; wir wissen auch, daß er hier den Weg zu Hippokrates und den andern Klassikern der Medizin fand. Erst im Herbste 1529 verließ er Basel wieder.

Mannigfachen Verkehr mit dem Süden sehen wir auch jetzt. In Avignon hatte Amerbach seine Freunde Lopis Montaigne Alciat Binus u. A., die durch ihn Beziehungen noch zu andern Baslern erhielten. So auch Jacopo Sadoleto, der gefeierte Prosaist; er gehörte gleich Jenen zum Kreise Amerbachs und trat dann auch dem Erasmus nahe.

Eigenartig überhaupt war das Verhältnis der Gelehrtenstadt Basel zu Italien. Die einst ungeteilt gewesene Sehnsucht und Verehrung war hier immer mehr zur Gesinnung des Wettkampfes, ja des Überlegenseins geworden. Was jetzt der in Padua studierende Konstanzer Propst Matthäus Schad als allgemeine Meinung äußerte, — daß die Musen mitsamt dem Parnaß und dem Helikon aus Italien nach Norden gewandert seien, — tönte fast mit denselben Worten aus dem Munde Paolo Giovios. Von diesem geistigen Triumphe Deutschlands wurde zur selben Zeit geredet, da der sacco di Roma (Mai 1527), den Erasmus als Untergang nicht allein der Ewigen Stadt sondern der Welt beklagte, zentralen und bisher als unantastbar geltenden Zuständen auch äußerlich ein Ende brachte. Und in merkwürdiger Gleichzeitigkeit trat jetzt des Erasmus berühmte Satire wider Longolius, der Ciceronianus 1528, ans Licht, die der erbitterten Befeindung

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 454. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/475&oldid=- (Version vom 1.8.2018)