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Hörsaales für seine Vorlesungen und zur Praxis berechtigt zu sein, wird daher durch die Fakultät mit Fug bestritten. Er wendet sich an den Rat, der ihn gewählt hat, und erlangt auf diesem Wege die Möglichkeit, im Kollegiengebäude zu lesen, gegen den Willen der Fakultät; er hat aber nach wie vor weder ihre Mitgliedschaft noch das Recht zu promovieren.

Tiefer greift die aus Person und Anschauung kommende Divergenz. Sie ist es, die den Paracelsus von Erfüllung jener Formalitäten zurückhält, die überhaupt ein Zusammenarbeiten dieses neuen, aus dem Rathause kommenden Dozenten mit den Herren der Fakultät, den Oswald Bär, Johann Silberberg, Eucharius Holzach u. A., unmöglich macht. Paracelsus weiß, ein Andrer zu sein als sie. Er verachtet die Universitäten in ihrer jetzigen Gestalt und Leistung. Er will den Unterricht ändern, die ganze Medizin reformieren. Noch steht er mit dieser Gesinnung hier allein da, isoliert, ein eremita im doppelten Sinne; als Solcher erläßt er das Programma, in dem er seine Vorlesungen ankündigt und alle Liebhaber der apollinischen Kunst zu deren Besuch auffordert. Er werde eine von Irrtümern gereinigte Wissenschaft lehren, nicht auf die Vorschriften der Alten sich stützen, sondern auf das von ihm in der Natur Gefundene. Daher werde er den Vorlesungen seine eigenen Schriften zu Grunde legen, nicht den Galen.

Das ist der neue Professor, der von der ersten Stunde an die Trennung zieht zwischen seiner Wissenschaft und derjenigen der Fachgenossen. Neben ihm ergreift auch der Stadtarzt Paracelsus das Wort und dringt, über seinen Collegen Bär hinweg, der selbst auch Apotheker ist, beim Rat auf Reform des Apothekenwesens. Eine ständige Beaufsichtigung der Apotheken solle eingeführt werden, jedes Paktum und Teilungsgeschäft zwischen Ärzten und Apothekern verboten sein; die Rezepte der Ärzte seien zu kontrollieren, die Apotheker auf ihre Kenntnisse zu prüfen, das Dispensieren durch Ungeprüfte und Unerwachsene zu untersagen, auch eine Arzneitaxe aufzustellen.

So steht dieser Theophrast von Hohenheim wie er selbst sich nennt, dieser Paracelsus wie Akten und Briefe ihn nennen, mitten im Leben der Universität und der Stadt. Als Neuerer, als Feind geltender Mächte, als ein Fremdling der hier nie Fuß fassen wird. Manchen begeistert und bezwingt sein Genius. Froben und die Brüder Amerbach sind seine Freunde; in den Vorlesungen hat er zahlreiche Hörer, aus denen Einzelne wie Oporinus ihm persönlich nahe treten. Aber sein Wesen, sein Lehren und Handeln sind derart, daß um ihn her es keine Ruhe gibt. Auch keine

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/457&oldid=- (Version vom 1.8.2018)