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Sinn gibt Herrschaft, und mit einer solchen Macht wirkt Bonifacius noch heute.

So erscheint er als die Freude Aller. Nur daß er dieses Wohlgefallen auch stören kann durch sein Zögern, sein kraftloses Schwanken. Er ist zeitlebens jener Bonifacius, der aus eigenem Antriebe den Studienjahren kein Ende zu geben vermag. Der aber auch die ihm das Größte verheißenden Prophezeiungen des Erasmus Lügen straft. Vielleicht steigert gerade die völlige Hingabe an diesen Erasmus, ohne den er nicht leben kann, seine Anlage. Aber was bei dem sehr aktiven Erasmus Scheu vor offener Parteinahme und Vorsicht des, trotz allem Freiheitsbekennen, vielfach Abhängigen ist, erscheint bei Bonifacius als Unlust zu Entschluß und Entscheidung. Diese weiche Gelassenheit trägt ihm gelegentlich herbe Vorwürfe von demselben Zasius ein, der einst die süßesten Kosenamen für den herrlichen zauberischen Jüngling gehabt hat. Solche Apathie ist es dann auch, neben gutbaslerischem Patriotismus, die ihn im Jahre 1529 nicht den Freunden nach Freiburg folgen, sondern in Basel bleiben läßt.

Zum Glücke dieses Menschen Bonifacius gehört, daß er im Ruhme weiterlebt nicht kraft gelehrter Traktate und Editionen, sondern anschaulicher und der Fülle des Lebens gemäßer. In den Schilderungen, deren ihn die Besten seiner Freunde gewürdigt haben, und in dem leuchtenden Bilde Holbeins. Überdies in zahlreichen durch ihn selbst vereinigten und noch heute vorhandenen Gegenständen. Sammeln und Bewahren gehört zur amerbachischen Art; ihr verdanken wir das unvergleichliche Briefarchiv, in dem der Glanz der drei Generationen lebt; auch die Bücherleidenschaft hat Bonifacius; er sammelt antike Inschriften und Münzen. Aber dies Alles, die Antiquitäten Bücher Geräte Preziosen, umgeben ihn nicht als Sammlungsstücke sondern als Ausstattung seiner Räume, dienen seinem täglichen Leben. Gerne würden wir dieses Liebhaberleben im alten Familienhaus an der Rheingasse zu schildern versuchen, wo die Freuden- und Studiengenossen aus- und eingehen, wo die Musik eine königliche Stellung hat, wo Alles sinnvoll ist von den Oliven Feigen und Orangen der Avignoneser Freunde bis zum Thymian und Basilicum im Garten und zur Hauskatze, die den Namen Juno trägt.


Im Jahre 1527 begegnen wir hier dem Paracelsus. Er ist mit keinem der Gelehrten vergleichbar, neben denen er in Basel leben und arbeiten soll. Die rundeste, durch und durch aus eigener Kraft lebende Gestalt im Vielerlei dieser Jahre. Er bringt etwas ganz Neues. Nur episodenhaft, wenige Monate dauernd, ist seine Anwesenheit.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/455&oldid=- (Version vom 1.8.2018)