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Johann Sichart wird uns während seiner Basler Jahre fast ausschließlich durch wissenschaftliche Publikationen bekannt, während sein Alltägliches und rein Menschliches uns kaum in die Nähe tritt. Die schöne Schilderung durch Zasius würden wir gerne durch charakteristische Einzelheiten und auch durch einige Schatten belebt sehen.

Sichart ist ein Franke, um das Jahr 1499 geboren in Tauberbischofsheim. In Erfurt und Ingolstadt gebildet, ist er seit 1521 als privater Lehrer in Freiburg tätig. Er wird auf die in Basel sich vollziehende Reform der dortigen Universität aufmerksam und wünscht dabei das Fach der literae humanae zu übernehmen. Auch die Basler haben auf eine noch stärkere Besetzung dieses schon durch Glarean vorzüglich vertretenen Faches Wert zu legen, da außer Glarean auch Erasmus und Rhenan zwar die mögliche Höhe solcher Studien zeigen und einen großen Maßstab geben, aber selbst nicht dozieren. Zasius und Cantiuncula führen die Verhandlungen; im Frühjahre 1524 kommt Sichart nach Basel und übernimmt eine vom Rate besoldete Professur.

In erster Linie und von Amtes wegen ist Sichart Philologe; er liest über Livius Cicero Quintilian und doziert Rhetorik. Aber er treibt auch juristische Studien; er hat auch medizinische Interessen. Er ist Editor wichtiger Quellenschriften des Altertums und des Mittelalters. Hiebei erhebt er sich zu Leistungen von dauerndem Wert, und erstaunlich ist die Summe seiner in wenige Jahre zusammengedrängten Arbeit. Viele dieser Autoren sind erst durch ihn gefunden und zum ersten Mal ans Licht gebracht.

Sichart erscheint durchaus als eine Figur für sich, ansehnlich noch neben Erasmus und Rhenan. Eine klare praktische Natur, die auch in Honorarfragen gut für sich zu sorgen versteht. Mit der sonstigen Humanistenkorrespondenz verglichen zeigen seine Briefe den noch nicht Dreißigjährigen als merkwürdig trockenen Menschen. Auch ist zu beachten, daß Erasmus seiner nirgends erwähnt, daß sich auch keine Beziehungen zu Froben zeigen. Dagegen ist uns der Verkehr Sicharts mit Rhenan und das Zusammenarbeiten dieser Zwei bezeugt; auch Bonifaz Amerbach ist Sicharts guter Freund; dem Ökolampad hilft Sichart bei der Cyrillübersetzung, dem Domherrn Peter Reich widmet er seine Ausgabe des Justin.

Das Finden- und Edierenwollen treibt den energischen Forscher wiederholt hinaus. Er kommt dabei nach Murbach Straßburg Trier, nach Sponheim Lorsch Fulda usw. Lauter Aufregung ist um diese Handschriftenjagden und glücklich die Heimkehr, wenn er einen „unvergleichlichen Schatz“ mitbringt und vor den Freunden ausbreitet.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/452&oldid=- (Version vom 1.8.2018)