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Daß dabei das Verhältnis von Rat und Universität ein gespanntes, die Tendenz der beiden Gewalten eine verschiedene war, zeigt außer der Berufung von Pellican und Ökolampad ihr Verfahren bei Anstellung des Paracelsus; auch an ihre Haltung vor den Disputationen Ökolampads und Farels ist zu erinnern.

Aber das Gesamtbild der Universität ist ohne entschiedenen Charakter, ohne Geschlossenheit. Es wird geschaffen durch die verschiedenartigsten Erscheinungen und Kräfte. Und doch irren wir uns, wenn wir das hinter dieser Mannigfaltigkeit webende Leben gering achten, nur Erstarrung und Untätigkeit sehen wollen. Wenn die Überlieferung im Einzelnen auch versagt, so redet doch die große Zahl der Dozentennamen und reden einzelne dieser Namen selbst eine deutliche Sprache: Schlierbach Wenk Silberberg Herbort Gebwiler Sattler Mörnach Wonnecker Barter, aber auch Ludwig Bär, aber auch Briefer Wissenburg Imelin Wolfhart Holzach Torinus. Das ist nur ein Verzeichnis. Aber bei aller seiner Dürftigkeit läßt es die eigenartigen Bewegungen dieser Zeit der Krisis erkennen, heißt es denken hier an den Stolz, das treue Standhalten, die Pflichterfüllung, dort an das stürmische Eindringen neuer Ideen in ein altes Wesen.

Jedenfalls bereicherte die Universitätspolitik des Rates die Anstalt um eine Reihe energischer Männer frischer und hoher Art. Es sind — neben dem schon früher gewählten Cantiuncula — die im Jahre 1522 und in den nächstfolgenden Jahren dem Lehrkörper beitretenden Glarean Ökolampad Pellican Sichart Oswald Bär Amerbach Paracelsus.

Diese Männer wirkten neben Erasmus Rhenan und Gelenius als die Hauptführer wissenschaftlichen Lebens im Basel der 1520er Jahre. Das Wichtige dabei ist, im Gedanken an den nur um zehn Jahre zurückliegenden Zustand, daß sie Lehrer der Universität waren.

Freilich verödeten nach und nach die Matrikeln dieser Universität, und in alljährlichen Wehklagen der Rektoren wurde Solches als Folge der reformatorischen Bewegung dargestellt. Diese wirkte jedenfalls, indem sie Unsicherheit und Unruhe im geistigen Leben überhaupt weckte. Aber noch Andres kam dazu. Wir denken an die stets zunehmende Konkurrenz auswärtiger Universitäten, an die allgemeine Lage Europas, an die Kriege, die Empörungen, die Teuerungen und Epidemien. Die benachbarte Universität Freiburg, ferner Wittenberg Erfurt Leipzig Heidelberg Köln usw. erlebten dieselbe Desertion.

Wenn der schlechten Frequenz wegen von einem Zurückgehen, ja Untergehen der Universität Basel geredet wird, so gilt dem gegenüber, daß gerade

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/449&oldid=- (Version vom 1.8.2018)