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Paris entstanden sind aus seinen Tischgesprächen und Redeanweisungen, so mögen jetzt wieder diese reichen Dialoge vor Allem für ihn zeugen, aber auch für die Unterhaltung des um ihn zum convivium fabulosum sich sammelnden Kreises. Einzelne der sprechenden Personen tragen Namen seiner Hausgemeinde; auch Carinus tritt in solcher Weise auf; an Person und Reden des Pellican knüpft sich die schöne Schilderung des ächten Franziskaners Konrad im Colloquium vom Bettelreichen.

Hinter Allem steht doch die eigenste Art des Erasmus selbst und die ungeheure Macht seiner Arbeit, die selbst in diesen durch mancherlei Anfechtungen bewegten Spätjahren eine erstaunlich vielseitige ist. Aber auch eine Verkörperung des allgemeinen Geistigen der Zeit selbst sehen wir in Vollendung vor uns. Mit dem 1521 gestorbenen Sebastian Brant ist ein alter ruhmreicher Führer des Humanismus hinweggegangen; ein Jahr später stirbt der andre Große, Reuchlin, und in einer leuchtenden Vision, einer Apotheose, feiert Erasmus diesen Verklärten. Nun ist er sich seiner Einzigartigkeit, seines durch ein Leben hoher Art errungenen Ruhmes bewußt; wir sehen ihn wiederholt die Summe dieses Lebens ziehen, sein Werk zusammenfassen und überblicken: in der Briefsammlung, die seine erste Publikation nach der Ankunft in Basel ist; in der großen Autobiographie für Botzheim 1523; im Plan einer Gesamtausgabe seiner Arbeiten 1527.

Es ist eine frühe Altersbeschaulichkeit, und in solche hinein kommen immer wieder aufregende Rufe von draußen, von König Franz, von König Heinrich, vom alten Freunde Polydorus Vergilius in London u. A. Aber er bleibt in Basel. Nur einen kurzen Ausflug nach Besançon gönnt er sich einmal, 1524, ins schöne Burgund, wo die guten Freunde Carondelet Bonvalot u. A. sind und sein Lieblingswein wächst. Zwischen hinein ergreift ihn doch die Sehnsucht nach Weite und Ferne, nach den Ländern in denen er vor Zeiten froh gewesen. Er möchte zu seinem Egnatius, um in Italien wenn nicht zu leben so doch glücklich zu sterben. Wie gerne möchte er Frankreich noch einmal sehen vor seinem letzten Tage, mit Germain de Brix und den Freunden in den Gärten von Chantilly seliger Ruhe sich freuen. Aber er bleibt in Basel.

Dafür kommen die andern zu ihm. Daß er sich, zwischen erstaunlicher literarischer Produktion noch einem Übermaße von Besuchern hingeben muß, gehört zur Existenz des berühmten Mannes. Nach Jahrzehnten noch lebt die Erinnerung an diese Zeit, da um des Erasmus willen Basel das Wanderziel unzähliger Gelehrter gewesen. Er zieht sie an, wie der Magnet das Eisen. Die Freunde kommen und die begeisterten Verehrer,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/445&oldid=- (Version vom 1.8.2018)