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und Rasten, vielleicht auch eine Heimat suchen: verjagte Priester und Predikanten, weltlich gewordene Klosterleute, Agitatoren der und jener Sekte; in Menge auch die breiten und wilden Figuren kriegerischen Lebens, der Landsknecht, der Reiter, der Werbhauptmann. Aus den Bauernkriegen der Nachbarschaft fliehen Viele herein und leben hier als „Banditen“ zum Ärger Österreichs und anderer „Halsherren“; sie beschäftigen den Rat Jahre lang.

Das Ganze gibt das belebteste Schauspiel. Im Rahmen dieses Basel, wo immer Etwas los ist, stets Neues geschieht oder vernommen wird, Einer den Andern beobachtet und kritisiert, mischen sich die disparatesten Elemente.

Aber gerade jetzt will ein neuer Geist in diese Zustände dringen.

Die letzten Jahrzehnte der Stadt waren groß geworden unter der Herrschaft einer Gesinnung, die von keinen Umschrankungen städtischen Lebens wußte, vielmehr die Zuwanderung wünschte und nach Möglichkeit erleichterte. Daher die große Zahl der Aufnahmen ins Bürgerrecht; daher die noch weitergehende, im Ratsbeschlusse von 1506 ausgesprochene Meinung, daß Keiner der Hereinkommenden zur Erwerbung des Bürgerrechts genötigt werden solle; Jeder möge frei sein, Bürger zu werden oder Einsasse, nach seiner Wahl; das Wesentliche sei, „daß man desto förderlicher Anreiz gebe und Leute zu uns in die Stadt bringe“.

Wie verschieden hievon jetzt die Anschauung, die im Regimente Geltung gewinnt! Am 10. August 1525 verfügt der Rat, daß künftig Niemand zum Bürger aufgenommen werden solle, der nicht Mannrecht (Zeugnis persönlicher Freiheit) und Abschied (Leumundszeugnis) vorlege. Es ist Einführung einer Personalkontrolle, Einengung des Zutrittes zur Bürgerschaft, derselben Tendenz gemäß, die von nun an auch der Aufnahme von Fürsten und hohen Herren ins Bürgerrecht müßig zu gehen vorschreibt und im Jahre 1527 die Priesterapostaten und ausgetretenen Mönche vom Bürgerrecht ausschließt, damit diese Fremden nicht die Bürger an Handwerk und Nahrung hindern. Und wie das Bürgerrecht schwer erreichbar gemacht wird, so die Niederlassung. Auch von den Hintersassen soll Mannrecht und Abschied gefordert werden; sie werden des Privilegs der Pfundzollfreiheit beraubt; Hausbesitz durch Nichtbürger wird am 3. März 1526 verboten.

Dies neue Verfahren ist jedenfalls Zeichen einer engeren Denkweise. Es ist aber auch zu verstehen als Gebot der Zeitereignisse, die Alles ins Wanken zu bringen und jede Ordnung zu lösen scheinen. Angesichts solcher Vorgänge muß das Gemeinwesen wissen, wen es zu seinem Bürger macht, wen es hier wohnen läßt.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/407&oldid=- (Version vom 1.8.2018)