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Leutpriester Liestals und als der erste zur Ehe greifende Kleriker Basels bekannt geworden ist und der wegen dieser Ehe seine Pfründe verloren hat. Die ihm dafür gegebene Beichtvaterstelle im Gnadentale zu Basel genügt dem heftigen Ehrgeize dieses Mannes nicht; jetzt bietet sich ihm Möglichkeit, Führer zu sein in einer großen Sache. Aus dem durch Aufruhrdrohungen erregten Basel ist er gewichen und bringt nun das Neueste von dort, wohl auch Mahnungen der Aufruhrlustigen selbst, noch in den Taumel hinein, der Liestal schon erfüllt.

Hier gewinnt das revolutionäre Unternehmen rasch festere Gestalt. Am 2. Mai früh Morgens wird Lärm geschlagen; eine Volksversammlung findet statt. Liestaler und Farnsburger bilden den Ring. Brötlin mahnt zu ruhiger Überlegung. Stör empfiehlt, mit den Zünften in Basel gemeinsam zu handeln. Soder redet von den Lasten, die das Volk drücken, er rät gleichfalls, den Genossen in der Stadt Nachricht zu geben. Damit geht die Gemeinde auseinander. Und nun ists Stör, der den Brief an die Zünfte redigiert, unter Beratung Soders, und ihn durch den Kaplan Johann Felix schreiben läßt; Peter Wächter und Wolf von Buus tragen ihn noch gleichen Abends nach Basel, wo sie ihn dem Müller Simon an den Steinen einhändigen.

Deutlich zeigt sich, wie Stör und Soder Alles treiben, den ausgelassenen Krawall der Klosterplünderer zur bewußten Rebellion steigern. Der Brief, durch den die Bauern sich mit den unzufriedenen Elementen der Stadt verbünden wollen, entsteht und wird nach Basel geschickt ohne Wissen dieser Bauern selbst. Er gibt sich schon als Äußerung einer durch Eid verbundenen Gemeinde des Landvolkes und überbringt dessen Zusage, für die Zünftler Leib Leben und Gut einzusetzen. Alles stilisiert im Predigertone des Verfassers; neu und jedem guten Städterohre beleidigend ist, daß die Bauern die Bürger ihre lieben Mitbasler nennen.

Während dieser „Mordbrief“, der das Stadtvolk aufhetzen soll, hineingetragen wird, kommen die Deputierten des Rates das Land herauf geritten. Sie finden statt der Ausschüsse eine tumultuierende Menge, die von Verhandeln nichts wissen will.

Es ist ein wilder Abend, keinem Sisgauer ruhige Überlegung mehr möglich. Aus den durch Aufwiegler besuchten Dörfern strömen Züge von Bauern herein, den späten Abend und die Nacht durch. Der ganze Gau scheint im kleinen Liestal zu weilen. In diesem Gepreßtsein, in dem engen Beieinander der verschiedenartigen, aber durch dasselbe heiße Gefühl beherrschten Menschen findet kein Nachdenken und keine Geduld mehr Raum.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/392&oldid=- (Version vom 1.8.2018)