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Gegenüber dieser jungen, auf mancherlei Wegen vorwärts treibenden und noch durch keine Erfahrung geleiteten Kraft evangelischen Gemeindelebens steht die Macht der alten Kirche in ihrer prächtig stilreinen und geschlossenen Form, im imposanten Besitz eines Jahrtausends Vergangenheit und Leistung. Noch scheint sie wie immer Alles umfassen und bezwingen zu können. Aber indem der Gegner innerlich erstarkt und äußerlich wächst, wandelt sich im Verlaufe des Kampfes das grandiose Kircheninstitut und wird zur Partei der „Katholischen“, der „Päpstler“.

Diese Partei erscheint vor Allem als Menge. Sie ist Teil einer Einwohnerschaft, die seit Generationen durch ein starkes Verkehrsleben und viele geistige Einwirkungen erzogen ist. Mit all der freien Regsamkeit des Ortes ausgestattet erweist sich in der katholischen Partei doch ein Kirchenvolk, das nach seiner Väter und Vorväter Weise leben und glauben und dabei nicht gestört sein will. Was drüben bei den Evangelischen Mancher als Fessel oder Last empfinden mag, ist hier Band und Vertrautheit, ist erprobte Lebensgewohnheit, ist Bedürfnis die Einheit der Kirche nicht untergehen zu lassen. Das Verlangen nach Freiheit und Neuheit, das der lutherischen Aktion den Boden vorbereitet, ist ja nicht ein allgemeines, und wie viele soziale und berufliche Beziehungen, wie viele persönliche Rücksichten, wie viele Pflichten binden außerdem noch! Nicht nur um eine Menge des gemeinen Mannes handelt es sich; auch Kaufleute und Kapitalisten sind dabei, Gelehrte Stubenherren Adlige Reisläuferhauptleute u. dgl., überhaupt weite Kreise gebildeten Bürgertums. Die Parteiführung ist bei den die Altgläubigkeit bekennenden Mitgliedern des Rates, bei der Universität, beim Domkapitel und bei allen übrigen Organen des ausgedehnten und bejahrten Kirchenwesens.

Das sind Zusammenfassungen. Aber nirgends war Gleichartigkeit. Persönlich gestaltet konnte das Verhältnis jedes Einzelnen zur Kirche und zur Lehre sein. Wie mannigfaltig schon die Schar der altgesinnten Professoren, wo beieinander Platz hatten Leute wie Wonnecker und Cantiuncula und die schwer zu fassende Gestalt des Ludwig Bär. Wie besonnen tüchtig hielt sich die katholische Ratsfraktion durch alle Erregungen dieser Jahre hindurch, auch nach der schweren Schädigung ihres Ansehens durch die Skandale Jacob Meyer und Ulrich Falkner! Und wie nahe beisammen war das Gegensätzliche! Im Domkapitel konnte neben dem stolzen Curialisten Niklaus von Diesbach doch auch Niklaus von Wattenwil sitzen, der nach Kurzem auf alle Würden verzichtete und die neue Lehre bekannte. In der Rittergasse wohnten die Schneider der Domherren Philipp mit dem schwarzen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/376&oldid=- (Version vom 1.8.2018)