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für den Bau von Zellen in der Karthause. Wir sehen auch, daß der Frühmesser im Steinenkloster Herr Hans Diemli, der im Jahre 1509 die Klosterfrauen zu Erben eingesetzt hat, jetzt dies widerruft; entweder ist er selbst evangelisch gesinnt oder die Nonnen sind ihm nicht mehr katholisch genug.

Zweifel und Änderungsbedürfnis durchbrechen die Klausuren und bringen das stille Leben in Aufruhr. Zwei Karthäuser, Thomas Brun und Sebastian, verlassen im Jahre 1523 das Haus. Auch ein Augustiner scheint ausgetreten zu sein. Das Barfüßerkloster verliert in eben diesem Jahr einige Brüder, nachdem es schon im Jahre 1522 den Johannes Schwan verloren hat, wie das Clarakloster die Anna von Sulzberg und die Merge von Flachsland. Noch von andern in die Welt heimkehrenden Klosterfrauen ist die Rede.


Wenn so Ehrwürdiges wie der Glaube an das Kloster ins Wanken geriet, konnte auch die Anschauung vom Cölibat sich ändern. Dieses Problem war von jeher in Aller Munde; gerade jetzt sah man es durch Erasmus zur Sprache gebracht. In seiner anläßlich des Klybecker Fastenbruches an den Bischof von Basel gerichteten Zuschrift empfahl er neben andern Reformen auch die Ermöglichung der Priesterehe.

Dann aber war es der kecke Thurgauer Stephan Stör, Pfarrer in Liestal, einer der frühen Führer der Reformation auf Basler Boden, der auch im Cölibatskampfe die Gasse brach. Seit einem Jahrzehnt mit seiner Magd im Konkubinate lebend wollte er jetzt diesem „bübischen und schändlichen Haushalten“ ein Ende machen. Am 8. November 1523 teilte er dem Rate von Liestal seine Absicht mit und verlangte, diese auch vor der Gemeinde zu rechtfertigen. Solches geschah, worauf er im Januar 1524 durch öffentlichen Kirchgang die Ehe schloß „nit on große freud und wolgefallen der kirchgenossen“.

Wir zweifeln nicht daran, daß der Vorfall Aufsehen erregte und weit herum vom kleinen Liestal geredet wurde. Die Interessen der einen wie der andern Partei, der Gemeinden und der Obrigkeiten waren berührt, und Viele konnten wünschen, daß die Sache öffentlich erörtert werde. Am besten geschah dies durch das der Zeit nahe zur Hand liegende Mittel der Disputation. Stör erließ unter Publikation seiner „Artikel und Schlußreden“ die Einladung.

Am 16. Februar 1524 fand die Disputation statt, im Kollegiengebäude zu Basel. Stör leitete ein durch Begründung seiner Artikel; auf seine wiederholte Aufforderung an den Bischof, das Domkapitel, die Universität, die

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/371&oldid=- (Version vom 1.8.2018)