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jetzt vom Podagra geplagt und beinahe dienstunfähig. Sein Vikar, durch Übernahme der Predigt, wurde im Frühling 1523 Ökolampad. „Auf Verlangen der Gemeinde“, wie der gut informierte Konrad Schnitt bezeugt. Jedenfalls ist weniger an einen freien Entschluß der Pfleger zu denken, als an eine in der Gemeinde selbst bestehende und nun durch den Ruhm der Bibellektionen Ökolampads noch gesteigerte Stimmung. Es war die Gemeinde, die seit Jahren den Neuerer Bonifaz Wolfhart unter ihren Kaplänen besaß, und der vor kurzem Hedio mit Kaplaneigeschäft und Schriftauslegung gedient hatte. Vielleicht wirkte auch das Fürwort einzelner Ratsmitglieder und alter Gönner Ökolampads. Wesentlich war jedenfalls die Qualität dieses Ankömmlings selbst, der ja Niemandem hier ein völlig Fremder und sämtlichen Kanzelinhabern der Stadt überlegen war durch Bildung und Wissen und mannigfaltige Bewährung im geistlichen Amte.

Was bis dahin Basler Reformation heißen konnte, war das Werk Luthers, zum Teil dasjenige des Erasmus. Zu ihrer Vertretung erhoben sich die verschiedensten Männer; sie entbehrte der einheitlichen Leitung; ihre Äußerungen gingen dahin und dorthin und verloren sich in Einzelheiten. Jetzt, im kritischen Momente, traf Ökolampad ein und wurde rasch dazu geführt, der Krisis ein Ende zu machen.

Die Stellung Ökolampads war einzigartig durch die Verbindung kirchlichen und akademischen Amtes. Beide machten ihn zum Lehrer Vieler. Neben dem Vikariate zu St. Martin war die Professur die in höherm Sinn und Bereiche wirkende und namentlich die durch die oberste Stadtbehörde ihm zugewiesene Tätigkeit. Ein Lehrauftrag war ihm gegeben zum Nutzen der Universität. Aber die Art, wie er ihn erhielt über die gestürzten alten und altgläubigen Professoren hinweg, ließ die Wahl als Demonstration für die neue Lehre wirken.

Im Genusse dieses Ansehens und durch die täglichen Homilien wie durch die Vorlesungen Besitzer einer Macht, die kein andrer Predikant und kein andrer Dozent besaß, sah sich Ökolampad schon kurz nach seiner Herkunft zum Haupte der evangelischen Bewegung erhoben. Auch fühlen wir, wie sein Eintritt in die Reihe der Predikanten sofort die Bedeutung dieser Klasse hob. Wenn sie durch Glarean noch vor Kurzem hatte gering gewertet werden können, so war dies jetzt nicht mehr möglich. Ökolampads Aufgabe war das Zusammenfassen Ordnen und Führen der vorhandenen Kräfte. Er wurde der Vorwärtstreiber, der Mahner und Lenker zur Erneuerung der Basler Kirche. Vom Neide Vieler verfolgt, von Haß umgeben, gegen Sophisten und Papisten und wenn seine Überzeugung gebot auch gegen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/365&oldid=- (Version vom 1.8.2018)