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auch er unterlag. Aber er allein fand in den seelischen Kämpfen, die er einsam bestand, die Formel; er hatte die einzige Gewalt der Persönlichkeit, er allein den Mut der Tat.

Luther ist in dieser Weise der Urheber auch der Basler Reformation. Von Andern ist nicht die Rede. Für die Mitlebenden ist die Bewegung „der lutherische Handel“ und „die Lutherei“. Luthers Thesen und frühe Schriften, Luthers Schriftauslegung und Schriftübersetzung bringen den Sturm in die Stadt, geben die Gedanken, das Wissen, die Begeisterung.

Aber dabei handelt es sich nur um erste Anregung und Grundlegung. Zum Inhalte der entscheidenden Jahre 1523 und 1524 gehört auch, daß hier in Basel genug geistige Kraft vorhanden ist, um zur Lösung der evangelischen Sache von ihrem Urheber den Anstoß und die Entschlossenheit zu geben. Die Bewegung nimmt hier ihre eigene Richtung.

Wir denken daran, daß Luther selbst nicht stets der Gleiche hat bleiben können, und daß nicht Jeder, der ihm bisher gefolgt war, auch der kommenden Gestaltung seines Wesens und seiner Lehre folgen mochte. Wie er den Humanisten entwuchs, so Andern. Vielleicht darf nebenbei auch an die Antipathie der Alemannen, gegen norddeutsche Art erinnert werden. Überhaupt aber haben wir zu rechnen mit der jeder Schöpfung aus dem Geiste notwendig innewohnenden und ohne Weiteres zur selbständigen Weiterentwickelung drängenden Eigenkraft. Sie ist vorhanden und empfängt Nahrung aus dem Wesen der Personen, aus dem Leben des Ortes, aus Boden und Luft. Auch das Basler Luthertum hat sich auf seine Weise weiter entwickeln und zu einem Gebild eigner Art werden müssen.


Indem das Neue sein Wesen klärt und seine Lebenskraft erweist, entstehen hier Glaubensparteien.

Daß die bisherige Kirche in Frage gestellt war, der Einzelne zur Abwägung getrieben wurde, die Begriffe des Proselytenmachens und der Konversion auftraten, — in diesem Allem erschloß sich eine bisher nicht bekannte Welt.

Natürlich gab es Indifferente, wie z. B. Niklaus Briefer gewesen zu sein scheint; es gab auch Solche wie Bonifaz Amerbach, der sich einen Mittelweg zwischen Luther und Rom wählen zu können glaubte; bei den Streitenden selbst zeigten sich Nuancen in unzählbarer Menge. Aber im Ganzen haben wir es mit den zwei Gruppen der Neugläubigen und der Altgläubigen zu tun.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 339. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/360&oldid=- (Version vom 1.8.2018)