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Wir sind den Ereignissen bis zum Jahre 1523 gefolgt, in dem die alten Chronisten den Beginn der Basler Reformation sehen.

Es ist in der Tat ein Wendepunkt. Er läßt die Formationen deutlicher und dauernd hervortreten, einzelne Gestalten bestimmend werden. Es ist der Moment der Abgrenzungen und Abklärungen.


Zunächst sehen wir das Ausscheiden der meisten Humanisten aus dem reformatorischen Komplexe.

Was durch die Basler Humanisten für Erschließung der reinen Quellen des Christentums getan worden ist, macht sie zu Wegbereitern der Reformation. Ihr Kämpfen gegen curialistische Mißwirtschaft und römische Lehrsätze stellt sie in die Reihe der Genossen Luthers. Und doch gelten Unterschiede. In der „christlichen Philosophie“ dieser Humanisten, in ihrem Bewußtsein einer Renaissance, an der Wissenschaft und Religion zur gleichen Zeit und mit gleichem Rechte Teil haben, waltet ein Gefühl des Glückes, des Genusses dieser Einheit höchster geistiger Dinge. Aber daneben erhebt sich die der Welt keine Ruhe lassende Sturmgewalt Luthers, die in Lehre und Forderung bis auf die Tiefen dringende Unerbittlichkeit dieses Mannes. Seine rastlos sich folgenden Schriften sind durchaus nicht jedesfalls und überall Mittel zur Mehrung seines Anhanges. So wie er wächst und seine Angriffe immer breitere Fronten treffen, werden Manche stutzig und verweigern die weitere Teilnahme.

Die Entwickelung der Menschen und der Probleme muß trennen, was eine Zeit lang zusammen gegangen ist. Im Gegensätze von Humanismus und Paulinismus zeigen sich die Differenzen. Die „christliche Philosophie“ gibt keine genügende Kraft zum Bruche mit der Kirche, zur Gewinnung eines gewissen Glaubens an Gottes erlösende Gnade. Und wie Mannigfaltiges dabei den Humanisten zu tun gibt, zeigen Einzelne aus ihnen. Bonifaz Amerbach, der einst mit Begeisterung Luther begrüßt hat, fühlt seinen Rechts- und Ordnungssinn getroffen; „wo ist die von Christus gepredigte Milde Geduld Liebe? ringsum ist nichts als Preisgeben des Gehorsams, nichts als Unheil und Gewalttat“. Glarean, in Paris ganz ergriffen von Luther, kommt bei seiner Rückkehr 1522 hier in den heftigsten Tumult der Glaubensparteien hinein; den Niedergang der Studien fürchtend, bricht er mit den alten Freunden Myconius usw. Auch Rhenan ist enttäuscht und tritt bald zurück. Ähnlich Christoph von Utenheim, dem die wahre Bedeutung der Lehre Luthers erst allmälich und zu spät klar wird. Weil er Bischof ist und das Neue sich festsetzen läßt, macht ihn der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/356&oldid=- (Version vom 1.8.2018)