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Debatte über Christi leibliche Gegenwart im Abendmahl. Und als er von Bischof Christoph beauftragt eine Unterweisung in der christlichen Lehre verfaßte, schrieb er Manches hinein, das der geltenden Doktrin entsprach, nicht seiner Überzeugung; „der Papst hielt mein Gewissen gefangen“. Auch an Thomas Wyttenbach ist zu denken, der in der Universität Basel von 1505 an theologische Vorlesungen hielt und dabei Zwingli und Leo Jud unter seinen Hörern hatte. Diese bezeugten später, den ersten Anstoß zum Studium der Schrift und der Kirchenväter dem Wyttenbach zu verdanken. In der Sache des Ablasses, betonte Zwingli, habe ihm Luther wenig geboten; schon vorher sei er durch Wyttenbach belehrt worden, daß der Ablaß Betrug sei.

An Unzufriedenheit mit der Kirche und an Skepsis gegenüber ihrer Lehre fehlte es nicht. Aber was war gewirkt worden?

Jetzt durch Luther kam die Zusammenfassung des bisherigen zerstreuten Widerspruchs. Er brachte aber noch mehr, seine eigene Persönlichkeit mit ihrem gewaltigen, wider die Macht der alten Kirche sich erhebenden Willen und eine eigene mit Gottes Forderungen Ernst machende Religion. Eine Kraft ohne gleichen war dabei am Werke. Luther sagte Alles und auf seine eigene Weise. Er sagte es der ganzen Welt und stand inmitten der Größe und Gefahr des durch Rom gegen ihn erhobenen Prozesses. Ein an seine Mission glaubender Mensch, der sich einsetzte gegenüber aller geltenden Autorität. Für die vielen nach Freiheit verlangenden, aber schwächeren Geister war die Macht dieser Erscheinung ungeheuer. „In ihr wurde das unbewußt Vorhandene bewußt und verhüllt gewesenes Wollen zum Gesetz“.

Mit Gewalt schlägt uns dieses neue Leben jetzt in Basel entgegen. Aus den verschiedensten Räumen der großen altgewordenen Kirche tönt es, von Bischof Christoph, von seinem Suffragan Tilman Limperger, vom Leonhardsprior Lukas Rollenbutz her. Sie Alle haben ihre Freude am Auftreten des Wittenberger Mönches; Rollenbutz, der ein Freund Rhenans und Zwinglis ist, hofft, bei Gelegenheit des Ordenskapitels nach Wittenberg zu kommen und dort Luthern zu sehen. Das Bereitetsein der Barfüßer haben wir schon wahrgenommen. Da ist der feurige Predikant Johann Lüthart; er schätzt Luthers Schriften wie Gold und duldet kein böses Wort über ihren Verfasser; da ist der Lektor Sebastian Münster, der die lutherische Auslegung der Zehn Gebote ins Deutsche überträgt; da ist seit 1519 der Guardian Pellican; da ist der gewaltige Johann Eberlin, als Freiburger Novizenmeister mit den Brüdern in Basel viel verkehrend. Der Prediger am Münster Capito, in dem das alte Kirchenwesen Basels seine letzte edle Vertretung

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/341&oldid=- (Version vom 1.8.2018)