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Spiele gestattet sein sollen außer den repraesentationes dei et sanctorum. Aufführungen eines Dreikönigsspieles und eines dramatischen Totentanzes durch Scholaren werden uns gemeldet, und als das Neueste die Aufführung antiker Dramen. Wiederholt gehen im Reinacherhofe Terenz und Plautus vor den Domherren über die Szene.

Hier haben wir es mit Anderem zu tun, mit den wichtigen Dichtungen Gengenbachs. Sie begnügen sich mit Monologreihen und einfachem Dialog. Meist sind sie abgefaßt in Versen von der Art der aller Welt geläufigen des Brantschen Narrenschiffes, weniger sorgfältig geformt als sie, aber frischeren Klanges. Nur einmal, im Spiele vom Alten Eidgenoß, tönen leichtbewegte Strophen. Durchweg sind Form und Aufbau von der bescheidensten Art, so daß in der Tat nur von „Reimspielen“ geredet werden kann. Aber sie bestehen und wirken weit über Basel und den Moment hinaus durch ihre Ideen, ihre Lehren und Warnungen. Durch das Bekennen nationaler deutscher Gesinnung und die Mahnung zu alteidgenössischer ruhiger Kraft im „Wälschen Fluß“ 1513 und im „Alten Eidgenoß“ 1514. Durch die ernste Betrachtung allgemeinen Menschenschicksals und die Darstellung[WS 1] von Lastern und Ungebühren der Zeit in den „Zehn Altern“ 1515. Durch die herbe Züchtigung der Unkeuschheit in der Gäuchmatte. Durch das großartige Überblicken aller Welt und ihrer Händel im „Nollhart“ 1517. Vermöge solches Gehaltes können die Spiele Gengenbachs, bei ihrer Aufführung auf dem Marktplatz oder wo sonst sie ihr leichtes Bretterwesen aufschlagen, ein Höhepunkt nicht nur der Fastnachtzeit, sondern des städtischen Jahres überhaupt sein. Sie werden durch Bürger und Handwerksknechte gespielt, nicht durch berufliche Darsteller, sodaß das Basler Volk selbst in diesen Dramen redet, die ihm seine Zeit zeigen und richten.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Dartellung
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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/287&oldid=- (Version vom 1.8.2018)