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Wir aber müssen darauf verzichten, dieses Werden einer Laienbildung mit einem Blicke zu überschauen. Zu den am Orte selbst sich mitteilenden und übertragenden Kräften treten von viel weiter her und mit allgemeiner Macht die Anregungen der Zeit überhaupt, die dem Menschen keine Ruhe mehr lassen, treten die Antriebe von Einwanderern und Passanten und die auf jeder Reise sich darbietende Lehre aller Welt. Berührungen und Beziehungen, die zu jeder Zeit vorhanden gewesen, haben neue Macht, neuen Inhalt. Wir ermessen, durch wie Vieles und an wie unzähligen Punkten das überlieferte Leben getroffen wird. Aber nicht an Getroffensein einer obern Schicht allein dürfen wir denken. Die Zeit will Alle befreien und heben. Wie die Fähigkeit des Lesens in immer größerer Breite herrscht, so die Fähigkeit und der Wille des Urteilens. Die dem Gemeinwesen zu seinem Gedeihen unentbehrliche Bewegung der alten Grundkraft, das stets wiederkehrende Emporsteigen des Talents aus untern Schichten zu gesellschaftlicher und politischer Höhe, erhält durch die neuen Forderungen und Zustände zwar eine Erschwerung des Weges aber auch eine erhöhte Bedeutung, einen stärkeren Gehalt.

Was sich uns bei diesem Allem offenbart als Wissen mannigfaltigster Art; als Freude an geistiger Kraft und Schönheit; als Empfinden ihrer Wirkung, die nicht Nutzen zu sein braucht, aber Segen ist; als Verlangen nach Emporkommen, nach Reifen und Wachsen; bei Dem und Jenem auch als Mühen um ein ihm stets Unzugängliches — das ist die Laienkultur, die schon alt ist und uns bekannt, aber erfüllt mit frischen Anschauungen und gehorchend neuen Geboten. Sie würde sich auf den verschiedensten Stufen, vom „schlichten“ bis zum „erfahrenen und belesenen“ Laien Nachweisen lassen, im staatlichen Regiment, im Verhalten zu kirchlicher Herrschaft und Lehre, in Geschäft und Gewerb, in Kunstfreundschaft, in Denk- und Lebensart überhaupt. Hier kann nur von einzelnen Personen und Gruppen die Rede sein.

Die gute Tradition studierender Bürgerssöhne lebt noch immer, bei den Bär Sürlin Irmi usw. Damian Irmi setzt seine Basler Studien in Freiburg und Bologna fort und bringts bis zum Magister. Wir erinnern uns auch an die jungen Lachner Oberriet Caramellis Holzach usw., die neben den Amerbachsöhnen auf den Schlettstädter Schulbänken sitzen. Der spätere Gewandmann Wilhelm Wölfflin ist hiefür Student in Basel und Tübingen. Ähnlich zeigt sich Matthäus Bütschi; er wird Magister, geht aber nicht zu den Gelehrten, sondern ins praktische Geschäftsleben; er führt Prozesse, ist Mitglied des Stadtgerichts usw., und heißt dabei überall der

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/279&oldid=- (Version vom 1.8.2018)