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keinerlei Privileg, aber Freiheit. Nur der städtische Rat soll sein Herr sein, seine Zöglinge sollen gleich Bürgern der Stadt geschützt werden. Unabhängig von der Universität soll er nach seinem Ermessen Lehrer anstellen und die zu lesenden Autoren bestimmen können.

Also auf eine eigene größere Schulanstalt neben der Universität geht Glareans Sinn. Wir hören von ihm selbst, 1520, wie Bär und namentlich der zuverlässigere Cantiuncula sich der Sache annehmen, wie verhandelt wird. Die Fakultät natürlich will von einem solchen konkurrierenden Institute nichts wissen und hofft, durch eine Konzession in ihrem Bereiche, nämlich die Ersetzung des Unterrichts in den Logikalien durch eine Geschichtsvorlesung, das größere Unheil abzuwenden.

Welche Form im Einzelnen schließlich vereinbart wird, wissen wir nicht. Im Frühling 1522 trifft Glarean in Basel ein; er eröffnet eine Lehranstalt mit Konvikt und hält daneben Vorlesungen an der Universität.


Die Humanisten wollen in exklusivem Sinne nur ihren Studien und einer ihnen gemäßen Lebensführung angehören. Sie erstreben keine Wirkung auf die Masse, nur mit Gebildeten haben sie zu tun. Wozu auch gehört, was sie uns über ihr Verhalten zur Profansprache zu verstehen geben. In ihrem Zirkel findet kein lebendes Idiom von heute Beachtung und Pflege. Der „Genius“ schreckt davor zurück. Erasmus spricht nicht Deutsch und nicht Italiänisch; Glarean lernt in Paris, wo er fünf Jahre lebt, nicht Französisch. Dieselben Menschen, die sich ihr Leben lang mühen um Wohllaut und Fluß der geliebten Standessprache, des Lateinischen, schreiben bei Gelegenheit ein erstaunlich unbeholfenes und trockenes Deutsch.

Aber die Humanisten wollen auch nicht zu tun haben mit staatlichem Leben und politischer Parteiung, die nur Störungen ihres ruhigen Glückes sein können, die auch viele Talente absorbieren und den Wissenschaften rauben. Ihr Eigenstes ist auf Frieden und Stille angewiesen; es ist bei den sanften Musen, den placidae musae, und so umgeben sie es mit dauernder Opposition gegen die allgemeine Gewalttätigkeit und Wildheit. Kein Gegensatz frappanter als der zwischen diesem Leben in der humanitas, das ein streitloses zu sein vorgibt, und der kriegerischen Welt, in die hinein es gestellt ist. Allen voran preist Erasmus den Frieden, den „Schirmer der guten Studien“ und kämpft für ihn in Traktaten und in Briefen; ähnliche Äußerungen hören wir von Rhenan, von Myconius.

Ein Teil dieser Abkehr von öffentlichen Dingen ist der besondere Widerwille unsrer Humanisten gegen das Hofleben, dem doch so manche

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/272&oldid=- (Version vom 1.8.2018)