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Auch Cantiuncula hat den Ruhm eines perfekten Briefstilisten. Und als ihm ebenbürtig wird Bonifaz Amerbach gepriesen. Bei Diesem sehen wir die Kunst sich entwickeln; namentlich unter des Zasius Leitung wird das Rhetorische und „Saftige“ des Anfängers ersetzt durch Klarheit Anmut Einfachheit. Amerbach gewinnt sich schließlich das Lob eines erasmusgleichen Stiles, und Erasmus selbst stellt seine Briefe denen des Politian an die Seite.

Der Allen bewußte literarische Wert der Briefe erklärt, daß sie gedruckt werden, nicht in Sammlungen des Autors selbst wie die erasmischen, sondern vereinzelt, als Beigaben zu Editionen usw. Das Veröffentlichen von Briefen ist eine damals übliche Form von Publizistik.

Wir aber beklagen, daß mit dieser Formkunst oft Monotonie und Leblosigkeit verbunden sind. Wenn auch Erasmus selbst fordert, daß der Brief nur wahre Affekte enthalten und nichts Andres wiedergeben solle als Erlebtes, so vermitteln doch viele Humanistenbriefe mit all ihrem Wort- und Bilderreichtum, mit ihrem Glanz und Wohllaut verhältnismäßig wenige Tatsachen und zumal wenig unstilisiert Menschliches. Alles ist wie erhöht, von einem helleren Licht umflossen, in gleichmäßiger Art und Intensität. Die Briefe können auch uns noch hohen literarischen Genuß bieten; inhaltlich haben sie zuweilen kaum einen Wert; und wohin die Manier führen kann, zeigt z. B. ein Brief des jungen Johann Cosmas Holzach in Paris an Bonifaz Amerbach. Holzach schreibt zögernd, weil er sich ohne facultas oratoria weiß und doch die Art des sprachlichen Ausdruckes für das Höchste halten muß; der lange Brief ist ohne Gehalt und gibt nur Variationen des Stilthemas durch einen schwachen Kopf, der in der Luft des Humanismus um seine letzte Naivetät und Natur gekommen ist.

Über Abhandlung und Brief weit hinaus hofft der Humanist zum schönsten Glücke seiner Sprachkunst zu gelangen durch die Poesie. Das Gedicht bietet ihm die Möglichkeit, unter Anwendung des von den Alten Übernommenen, eine geschlossene und im höchsten Maß edle Form zu schaffen und in dieser sein Inneres zu offenbaren. Nicht der „Poet“ im Schulbegriffe des mit den antiken Autoren vertrauten Gelehrten ist das Ziel, sondern der wirkliche Dichter. Aber was hiebei entsteht, ist Philologendichtung. Sie läßt uns zumeist fragen, ob bei ihr überhaupt persönliches Glück oder Leid zum Ausbruche kommen, ob ihre Form Lebensgluten meistert. Nur dem Genius weniger Humanisten ist dies gegeben.

Der Dichter solcher Art ist dem Basler Humanistenkreise beinahe fremd. Was gelehrten Publikationen an Strophen und Distichen als tönendes

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/257&oldid=- (Version vom 1.8.2018)