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einen Seneca. Auch in der reichen Büchersammlung des Rhenanus finden sich Handschriften, dabei die Chronik von Ebersheinmünster und ein Codex des zwölften Jahrhunderts, der in seinen ältesten Teilen schon der karolingischen Zeit angehört.


Mit geschärften Augen, entwickelten Werkzeugen stehen die Humanisten der Erscheinung des Altertums gegenüber. Das nichts Neues ist. Seit Jahrhunderten überschattet es die bestehende Welt, ist es eine stets gewaltige Gegenwart.

Nachdem dieses römisch-griechische Altertum schon auf die ganze mittelalterliche Bildung eingewirkt hat, ja in seinen literarischen Äußerungen durch dieses Mittelalter selbst mit Bewußtsein aufbewahrt und weiter vermittelt worden ist, vermag es sich jetzt mit einer bisher unmöglich gewesenen Kraft zu verkünden. Es ist dieselbe Antike, aber sie wirkt wie neu und wiedergeboren, weil sie viel umfangreicher und in ihrer ächten Form, dazu in der durch den Buchdruck gewährten Mächtigkeit auftritt und weil feinere und zugleich stärkere Organe sowie eine neue Denkweise, ein neues Lebensgefühl ihr entgegenkommen.

Unverkennbar ist in Italien, das sich als Erbe Roms fühlt, die Wirkung der Antike eine andere als im Norden; dieser erlebt jetzt die Auferstehung alter Geister und Götter. Nicht sogleich im ganzen Umfange. Anfangs stehen noch die glänzenden Schriftsteller des neuen Italiens im Wege, die an der Antike sich gebildet haben, die näher und begreiflicher sind. Nur allmählich, wie die wissenschaftliche Einsicht wächst und auch nationales Gefühl mitspricht, gelingt die Ablösung von diesen Vorbildern der Poesie, der Historik, der Sprachkunst. Ein solcher Verlauf ist z. B. bei Rhenan zu beobachten; Glarean scheint sich von Anbeginn freier von den Italiänern gehalten zu haben.

Die neue Zeit im Norden erlebt und empfindet nun neben dem gewohnten Bildungskomplex als neue geistige Macht auch die Antike. Sie empfängt vom Altertum den Hauch lebendigen Atems. Sie nimmt Maßstäbe von seiner männlichen Kraft, seiner Freiheit und Größe. Sie bereichert an seiner Lehre ihr Wissen. Sie vermag mit der Kraft ihres Glaubens auch seine kosmischen Dämonen zu erfassen. Sie bildet an seinen Mustern ihr Formgefühl.

Bei dieser Aufnahme des Altertums durch eine moderne Welt sind die Handelnden zunächst wesentlich die Humanisten.

Auch in Basel betreffen wir die Humanisten vor Allem bei diesem Tun. Ihre Sehnsucht, ihr Erkenntnisdrang, ihre Arbeit und ihre Freude

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/235&oldid=- (Version vom 1.8.2018)