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erklärt Glarean, daß die Herausgeber den Studien größere Förderung bringen als die Schriftsteller; und so findet auch Erasmus, ein Wiederherstellen von Monumenten der Alten tauge mehr als das Zusammenklauben neuer Werke.

Mit triumphierendem Gefühle empfindet jeder dieser Editoren das Verdienst seiner Arbeit. Aus dem großen Untergange der Bücher und Wissenschaften, aus Brand Verheerung und unerhörtem Schiffbruche sind durch ihn diese kostbaren Überbleibsel gerettet. Ins Leben zurückgerufen sind die lange verborgen gewesenen Klassiker, dem Lichte wiedergegeben, aus den Finsternissen ausgegraben, vom Orkus zurückgeholt; der angeborne Glanz, die ursprüngliche Würde sind ihnen wieder verliehen. Wiedergewonnen sind mit den Handschriften und Texten auch Ideen, geistige Kräfte, ehemaliges Leben.


Aber es ist nicht nur ein äußerliches Wiederbringen, sondern auch ein Reinigen und Wiederherstellen. Die Editorentätigkeit wird geadelt durch die sich zu ihr gesellende Textkritik.

In den ersten Jahrzehnten nach Erfindung des Buchdruckes haben die Editionen nur den Wert von Handschriften-Wiedergaben; für solche kann die gewöhnliche Hauskorrektur genügen. Aber schon Johann Amerbach hat die Korrektur zu einer wissenschaftlichen Aufgabe gemacht, und in Entwickelung des von ihm Begonnenen nimmt sich eine wachsende philologische Einsicht und Kraft der Ausgaben an.

Wie das Wiederhervorholen einer alten Größe, eines ehemaligen Lebens auch kritischer Arbeit bedürfe, hat Lorenzo Valla gelehrt, und wenn auch Erasmus selbst gelegentlich einem raschen, durch Begeisterung getragenen Edieren das Wort redet und lieber verbesserungsbedürftig als gar nicht ediert sehen will, so vernehmen wir doch vor Allen wieder ihn, wie er eindringlich handelt von der Bedeutung des Wortes ja des Buchstabens und von der Pflicht der Emendation überlieferter Texte. Dem entspricht dann, was durch ihn und in ausgezeichneter Weise durch Rhenan in Textkritik geschieht. Im Übrigen haben wir die Leistungen der uns schon bekannt gewordenen Korrektoren vor uns. Was jetzt verlangt wird, ist Vergleichung der Lesarten in den Handschriften, das Herausholen des wahren Textes aus dem Verderbnis der Überlieferung, die Emendation, die Konjektur; auch Rechenschaft über die Grundlagen der Edition, über die Art der Verwendung der benützten Handschriften. Eine im Gesamten der damaligen Editionen ausgezeichnete, so gewissenhaft und geistreich geübte Methode, daß

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)