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Erlebnisse die auch hier durchzuleben, die großen geistigen Kämpfe die auch hier durchzukämpfen sind. Sie gehören zum weiten Bereiche Dessen, was dieser Menschen Dasein im höheren Sinn ist.

Uns reißt das Steigen und Wachsen, die starke Entwickelung auch dieses Zustandes hin. Wir erinnern uns an seine Voraussetzungen, an sein Beginnen, an die denkwürdigen Jahre des Überganges aus der amerbachischen in die frobenisch-erasmische Zeit. Jetzt, ein Jahrzehnt später, da in der allgemeinen Geschichte des Humanismus ein großer Moment ist, ausgezeichnet durch umfassende programmatische Äußerungen des Reuchlin, des Herman von dem Busche, des Erasmus, kann auch der Humanismus Basels sich in seiner goldenen Zeit fühlen. Der Ruhm des Ortes lebt im Mund Unzähliger an allen Enden, im Widerklange hiezu äußern der Lobgesang, den Engentinus den Topica des Cantiuncula 1520 beigibt, und die Vorrede Rhenans zu seinem Tertullian 1521 auf prächtige Weise das in Basel selbst lebendige Gefühl dieser Höhe der Zeit.


Jetzt endlich haben wir die Möglichkeit, in der Tätigkeit dieser Menschen den humanistischen Geist kennen zu lernen.

Die Ahnung, daß ein Sichneubesinnen nötig sei, führt vor Allem zur Herrschaft des Quellenbegriffes und des Gefühls für Urkundlichkeit.

Für Basel ist der Ruhm einer frühen Erkenntnis und Betonung des Quellenwertes gewonnen durch die amerbachische Bibelausgabe von 1479. Jetzt im erasmischen Basel bedarf es keiner einzelnen Anregung mehr. Die allgemein vorhandene Überzeugung ist durch Erasmus selbst am würdigsten Orte, in der Vorrede zu seiner Ausgabe des Neuen Testamentes, ausgesprochen worden; in gleicher Weise treibt Capito zum Studium des Originaltextes der Bibel und weist hin auf den geraden Weg zum Heiligtum an Stelle des Herumkriechens im Dorngestrüppe der „gotischen“ Lehrweise.

Man ist der Kommentare und Spekulationen satt. Ein ernster Geist wie Reuchlin will auch nichts von Übersetzungen wissen; er ist so empfindlich für Ächtheit und Eigenart, daß er kein Buch lesen mag außer in dessen Ursprache. Man verlangt nach dem Wahren. Man dürstet nach der Quelle.

Bezeichnend ist, wie dieser Quellensinn sich ohne weiteres in Tätigkeit und Editionseifer umsetzt. Die gewaltige Leistung der Basler Gelehrten und Drucker in Ausgaben der antiken Autoren, der Bibel, der Kirchenväter, der Rechtsbücher usw. erscheint wie etwas Unerläßliches. Ohne Rückhalt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/231&oldid=- (Version vom 1.8.2018)