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Johann Sapidus, der mit Bruno Amerbach zusammen in Paris studiert hat, ist seit 1510 Rektor der Schule in seiner Heimat Schlettstadt. Durchaus so lebendig, so eingreifend und schöpferisch, daß einer seiner Schüler, Thomas Platter, später meint, damals erst seien „die studia und linguae aufgegangen“. Er führt das Griechische als Lehrfach ein. An der Spitze einer nach Hunderten zählenden Schülerschar, in reger literarischer Tätigkeit, von starker und gewinnender Art, ist Sapidus der Fürst im kleinen Schlettstadt. Gegenüber Basel aber erscheint er durch Manches — begeisterte Schreiben an Bruno Amerbach u. A., dichterische Huldigung an die Sodalität, Empfehlung von Besuchern — als der beredte Wortführer des jungen Elsasses. Er beneidet Alle, die ihr guter Stern in Basel leben läßt.

Straßburg liegt nicht nur geographisch entfernter von Basel; es hält auch an sich mehr Distanz. Vor kurzem noch klagten die Humanisten über die Musenfeindschaft dieser Stadt. Aber jetzt ist da Otmar Luscinius zu finden, eine Gestalt voll jugendlicher Frische, durch zahlreiche Reisen mit ganz Süddeutschland, aber auch mit Italien Griechenland Kleinasien vertraut geworden; begeisterter Kenner des Griechischen; Musiktheoretiker und Virtuose, der beim erasmischen Symposion 1514 die Tafelrunde durch sein Spiel auf der Hirtenflöte entzückt. Da ist Hieronymus Gebwiler, der in Basel studiert hat, dann des Bonifaz Amerbach u. A. Lehrer in Schlettstadt gewesen ist und nun die Straßburger Domschule leitet. Dem Domvikar Lucas Bathodius (Hackfurt) widmet Rhenan 1520 seine Ausgabe der Panegryci dem Thomas Rapp 1515 den Ludis Senecae; Rapp dient ihm später durch Vermittelung eines Tertulliancodex aus Hirsau. Sympathischer als Alle ist Jacob Sturm, dem einst Straßburg und ganz Deutschland Großes verdanken werden; jetzt in der anmutigen Bescheidenheit seiner Jugend, bei allem Wissen, gewinnt er sich das Wohlgefallen des Erasmus. Noch Einer lebt in Straßburg, mit dem die Basler verkehren: Otto Brunfels. In der Einsamkeit seiner Karthäuserzelle verlangt er nach gelehrtem Gespräche, nach einem Zusammensein mit Gleichgesinnten bei coena und Spaziergang; seine Briefe, die nach Basel gehen, voll überschwänglicher Hingabe an Erasmus und Rhenan, sind Zeugnisse dieser Sehnsucht.

Der Augustinermönch Niclaus Bruckner in Colmar, dann in Mülhausen, vertritt ein sonst nicht merkbares geistiges Leben der letztgenannten Stadt; er korrespondiert mit den Basler Humanisten und bezieht durch sie Drucke des Plinius, des Cicero, des Persius u. A.; er treibt auch mathematische und astronomische Studien; den Brüdern Bruno und Bonifaz Amerbach fertigt er ihre Horoskope.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/214&oldid=- (Version vom 1.8.2018)