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d. J. zum Rektor gewählt. Und dann legitimiert er sich auf eine den Zeitgenossen glänzend erscheinende Weise durch sein großes Werk der Topica, 1520 bei Cratander erscheinend, durch den Autor dem Kardinal Matthäus Schiner gewidmet. Zasius, der diese Topica schon im Manuskripte kennen gelernt hat, nennt sie ein goldnes Buch, ein Buch zum Küssen; ungeduldig wartet er, bis es im Druck erscheine, der fruchtreiche Garten des Alcinous in ihm sich auftue. Reizvoll ist die Gestalt dieses jungen Professors und Schriftstellers. Schon als Halbfranzose inmitten all der Schwaben und Oberrheiner der Universität. Er ist offenbar auch weltmännischer als die Meisten seiner Kollegen. Ein eleganter Jurist von moderner Art. Sein nicht leichtes, aber fein geformtes Latein wird durch Erasmus gepriesen, und auch an seinem fröhlichen umgänglichen Wesen hat Dieser ein Wohlgefallen. Jedenfalls tauscht Cantiuncula gerne so oft als möglich die zum guten Teil klerikale Welt der akademischen Hörsäle gegen die belebten Humanistenzirkel, wo vor Allen Bonifaz Amerbach ihm nahe tritt. Aber auch der große Zasius im nahen Freiburg liebt ihn; Cornelius Agrippa hat sich ihm, dem Jüngern, als Freund angetragen; die gute Meinung, die er sich in der Löwener Studienzeit bei Martin Dorpius erworben, verschafft ihm dessen warme Empfehlungen. In solcher Weise erscheint Cantiuncula vor uns. Ohne scharfen persönlichen Umriß. Mehr eine Richtung und Denkart als sich selbst darstellend. Nur ein kurzer Eintrag über eine Matrimonialsache, in der er durch Magdalena Lamparts als Klägerin vor Gericht gezogen wird, gibt seinem schattenlos hellen Bild einen an Menschliches und Leidenschaftliches erinnernden Zug. Von der praktischen Tätigkeit Cantiunculas als Sachwalter bei den Gerichten, als Sekretär und Syndikus des städtischen Rates ist an anderm Orte zu reden.

Wir schließen die Reihe, die mit einem Fürstbischof anhob, mit einem Bettelmönche, dem uns schon bekannt gewordenen Konrad Pellican, dem einzigen Kuttenträger in dieser Gesellschaft. Pellican scheint allen Sodalen, mit Ausnahme des Erasmus, an Kenntnis von Welt und Menschen überlegen gewesen zu sein. Als Minorit war er an keine Stabilität gebunden; im Geleite des Provinzials Satzger sodann kam er auf jahrelangen Reisen durch ganz Süddeutschland, nach Paris Rouen Rom. Es waren Reisen, die ihn allenthalben zu Gelehrten, zu Bibliotheken, zu wissenschaftlichen Neuigkeiten jeder Art brachten. Die Beweglichkeit des Mendikanten verband sich so mit derjenigen des Humanisten, bei einem Menschen, der an sich schon ein Typus von Elastizität und Frische war. Unter völligem Fehlen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/185&oldid=- (Version vom 1.8.2018)