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sondern eine eigene, gleichfalls mit Convikt verbundene Lehranstalt, ein archigymnasium. Glarean dient mit dieser Schule zunächst dem humanistischen Triebe der Unterweisung und einem höhern Lernbedürfnisse. Er mietet ein geräumiges Haus; die Zahl seiner, großenteils aus der Ost- und der Zentralschweiz kommenden Zöglinge und Pensionäre steigt zu Zeiten bis auf dreißig; es wird nur lateinisch gesprochen, auch beim gemeinsamen Mahle; in den Unterrichtsstunden werden Vergil Lucan Livius Gellius gelesen, wird Griechisch und Hebräisch getrieben, werden Arithmetik und Geographie gelehrt.

Hier in diesem reichen, stets neu erregten Verkehre mit jungen Hörern und Hausgenossen bilden sich die Keime der großen und so Vieles umfassenden wissenschaftlichen Tätigkeit Glareans. Es ist seine schöpferische Zeit; die grammatischen Arbeiten, der Kommentar zu Livius, die Forschungen über das römische Gewichtsystem, die musik-theoretischen Untersuchungen, die Arbeiten zur Mathematik und zur Geographie, die ganze Fülle späterer Leistungen geht in ihren Anfängen auf diese Basler Jahre zurück.

Wir haben vor uns das Bild eines reichen Lebens. Aber der Eindruck wird gestört durch unaufhörliche Bewegung. 1515 besucht Glarean mit Peter Falk von Freiburg zusammen die Trümmer von Aventicum. Im gleichen Jahre begibt er sich nach Pavia zum Genuß eines durch Herzog Massimiliano, auf Fürsprache der Tagsatzung, ihm bewilligten Universitätsstipendiums; aber es wird ihm nicht zu Teil, und er kehrt wieder nach Basel zurück, wo er sich immer weniger wohl fühlt. Bei solcher Unzufriedenheit ist davon die Rede, ihm eine Stelle an der Universität Ingolstadt zu verschaffen. Aber auch allgemeine politische Bewegungen greifen in das einzelne Gelehrtenleben. Nach Marignano ist es mit dem Mailänder Herzog und mit herzoglichen Stipendien vorbei. Dagegen beginnen Unterhandlungen der Eidgenossen mit König Franz, und diese haben Bedeutung auch für Glarean, der jetzt ein Pariser Stipendium zu erhalten hofft an Stelle des in Pavia ihm entgangenen. Noch im September 1516 ist er voll Sorge. Seiner persönlichen Interessen wegen verdrießt es ihn, daß Deutschland und England den Eidgenossen goldene Berge verheißen, um sie von Frankreich wegzuziehen. Endlich im November kommt der Friede zu Stande, und im Anschluß an ihn bewilligt Franz dem Basler Humanisten ein, von den gewöhnlichen Stipendien für Schweizer Studenten verschiedenes, besonderes Jahrgeld. Auch Erasmus hat dafür gewirkt, durch ein schönes Empfehlungsschreiben an Stephan Poncher, Bischof von Paris und Kanzler des Königs.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/173&oldid=- (Version vom 1.8.2018)