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seine zentrale Kraft hatte. Aber einen Eindruck von Größe gibt uns doch nur diese Leistung, nicht der Mensch Rhenan, der vielmehr etwas Knappes und eng Befangenes an sich hat. Die ihn kannten, tadelten seinen Mangel an Mut, sie fanden ihn auch zu wenig freigebig. Es war dieselbe bedachte Schonung seiner selbst, die ihn auch jeder amtlichen Verpflichtung ausweichen ließ. Er hatte keine Frau, keine Familie, nur ein Famulus war um ihn, und er konnte ein „philosophisches Leben“ nach seinem Willen führen. Wie wenig er doch zum Sonderling wurde, glauben wir überall zu spüren; seine Liebenswürdigkeit, seine Milde und „süßeste“ Humanitas war berühmt. Umdrängt von den zahllosen Gestalten jener Tage zeigt er uns das faßlichste und anmutigste Bild eines Humanistendaseins.


Ludwig Bär wurde 1479 in Basel geboren, als Sohn des Kaufherrn Hans Bär. Zuerst wird er wohl die heimatliche Universität besucht haben; dann war er Schüler derjenigen zu Paris. 1499 wurde er dort Magister, arbeitete weiter und schloß am 28. Mai 1511 diese langewährende Studienzeit in ausgezeichneter Weise durch den Erwerb des theologischen Doktorats. Im folgenden Jahre kehrte er nach Basel zurück und erhielt im März 1513 vom Rat eine Chorherrei am Petersstift. Im August 1513 wurde er in die theologische Fakultät aufgenommen, 1514 zu deren Dekan gewählt.

Aus eigenen wissenschaftlichen Werken von Belang ist Bär nicht zu erkennen. Auch die Briefquellen versagen für ihn fast völlig. So wenig Einzelnes wir hienach von ihm wissen, ist er doch eine eindrückliche Figur inmitten der damaligen Gelehrten und Kleriker, neben zahlreichen in ihrer Plattheit wohlbezeugten Erscheinungen.

Schon sein sozialer Hintergrund hebt ihn, der weitverflochtene Komplex einer einflußreichen Verwandtschaft; zum bürgerlichen Ansehen tritt die Macht kirchlicher Stellung; das lange Studium in Paris mit seinem glänzenden Abschlusse gibt ihm den Nimbus einer nicht gewöhnlichen wissenschaftlichen Tüchtigkeit.

Die frühe Begabung Bärs durch den Bischof mit Indulgenzen und seine wiederholte Begünstigung durch den Rat mögen weniger seiner Person gelten als seiner Familie. Aber bemerkenswert ist, wie in offiziellen Empfehlungsschreiben die Kanzlei des Rates ihm das horazische Prädikat des integer vitae gibt, wie auch auswärtige Gelehrte ihn hochachten, wie seine Nähe ihn geradezu anbetet. Er ist der feingebildete geschmeidige interessante Mensch. Von ernsten Mienen, bekannter Klugheit. Zuweilen auch für nicht ganz verläßlich gehalten. Jedenfalls bringt er fertig, nach verschiedenen Seiten hin Beziehungen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/168&oldid=- (Version vom 1.8.2018)