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Sorgfalt gesammelte offizielle Schrifttum erhält seine Ergänzung und Belebung durch einzelne Schilderer. Unter diesen tritt der Domkaplan Johann Knebel weit hervor. Sein Tagebuch ist eines der wichtigsten Behelfe zur Erkenntnis der Zeit. Ohne Kunst und Form, das Ergebnis momentaner Redaktion, zeigt es deutlich, welchen Anregungen es sein Leben verdankt. Es ist fast ganz von der Burgundersache erfüllt und bietet sonst nur Weniges. Hier buchte Knebel, was er täglich erlebte und erfuhr. Allenthalben hatte er seine Gewährsmänner. Zumal in den amtlichen Kreisen Basels. Was man im Rathaus und in der bischöflichen Kanzlei wußte, trug man dem Knebel zu, von dem man wußte, daß er dies Tagebuch führte. Ähnlich handelten viele Andere. Er war der anerkannte Sammler und Aufspeicherer. Indem man von allen Seiten das Wissenswerte ihm übergab, sorgte man für die Fixierung der Ereignisse, für den Ruhm der Stadt; das Knebelsche Buch kann fast als eine Kollektivarbeit gelten, und die Verwertung zahlreicher authentischer Dokumente gibt ihm mancherorts offiziellen Charakter. Deutlich aber zeigt sich sein Reiz bei einem Vergleich mit der Beschreibung der Burgunderkriege durch Niklaus Rüsch. Nach dem rein sachlichen, kanzleimäßig trockenen Tone dieses Rapportes erfreut auf jedem Blatte Knebels die freie Äußerung persönlichen Empfindens. In der frischen Wiedergabe jeder augenblicklichen Stimmung, jeder neuesten Neuigkeit, jedes Tagesgespräches ist das Ebben und Fluten, das eine solche Zeit erfüllt, herrlich wiederzuspüren. Ganz im Gegensatz zum Berner Schilling, der erst nach den Ereignissen, von ihrer Erinnerung mächtig gehoben, seine Chronik hinschrieb. Dieser Gegensatz zeigt sich auch in anderm: Knebel sitzt ruhig in der warmen Stube seines Kaplaneihauses, handelt nirgends mit, aber bucht sorgsam, was vorfällt; und wenn er eine Pause machen kann während eines Feldzugs, geht er nach Baden und lebt dort peroptime mit Freunden und Freundinnen. Nirgends in seinem Werke tönt der stolze Klang des Erlebten und Geleisteten wie bei Schilling.


Am 9. Mai 1469 zu St. Omer verpfändete Herzog Sigmund von Österreich dem Herzog Karl von Burgund die Landgrafschaft im Elsaß, den Sundgau, Breisach, die Herrschaften Rheinfelden Säckingen Laufenburg Waldshut samt dem südlichen Schwarzwalde. Herzog Karl tat mit diesem Erwerbe den letzten, lange ersehnten Schritt einer Politik, die keineswegs sein persönliches Werk, sondern Tradition seines Hauses war; der Vertrag von St. Omer schloß eine hundertjährige konsequente Tätigkeit;

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/74&oldid=- (Version vom 5.7.2016)