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durch den die Vorrechte der Hohen Stube aufgehoben wurden, gab dem Handwerke freie Bahn zum Ansturm gegen die mit den Stubengenossen verbundenen Kaufherren und Kapitalisten; er weckte die Energie zur Durchsetzung der zurückgelegten alten Begehren, „zu einer bewußten prinzipiellen wirtschaftlichen Gesetzgebung“. Ohne Zweifel traten auch Anregungen von außen herzu: die allgemeine Bewegung gegen die großen Geldmächte und Monopole, die Verhandlungen des deutschen Reichstags über die Handelsgesellschaften, Luthers Schrift von „Kaufshandlung und Wucher“.

So kam es denn 1521 zu einer Enquete, in der alle Zünfte durch den Rat aufgefordert wurden, gewerbliche Schäden und Mängel zu rügen, und im Januar 1526 zum Erlaß einer umfassenden Organisation. Der lange gewaltige Kampf zwischen Handel und Handwerk fand in ihr endlich einen Abschluß: den Sieg des Handwerks.

Die Einzelheiten dieser „nüwen reformation“ haben wir hier nicht zu erörtern, nur ihre allgemeine Bedeutung zu kennzeichnen. Sie stellt sich dar als Ordnung einer völlig im handwerklichen Sinne gestalteten Stadtwirtschaft. Jede kaufmännische Konkurrenz mit der heimischen Produktion ist aberkannt, dem Handwerker ein Verkaufsmonopol über die selbstgefertigten Waren hinaus für sein ganzes Warengebiet gegeben, der Handel beschränkt auf den Import von unentbehrlichen Nahrungsmitteln, Rohmaterialien und hier nicht produzierten Waren, sowie auf den Transit. Außerdem wird auch im Handel der „zünftige Kleinbetrieb eingeführt durch Zerlegung des Zunftzwangs jeder der beiden Handelszünfte in einzelne sich gegenseitig ausschließende Branchen“. Endlich wird die Mehrzünftigkeit abgeschafft und die Assoziation zwischen Verschiedenzünftigen verboten.

Es ist die schon früher skizzierte Gewerbeordnung in ihrer letzten fertigen Form. Was in verschiedenen Momenten, stoßweise, mit Geltung für einzelne Verhältnisse oder Personen, durch Rat und Zunft bestimmt worden, findet sich nun hier zusammengefaßt, konsequent durchgeführt, einheitlich ausgeglichen. Diese Gesetzgebung steht am Ende einer Entwickelung von zwei Jahrhunderten; dem Beginn einer Stadt und Gewerbe fördernden Handelsfreiheit gegenüber bildet den Schluß ein System, das den Handel bindet, das als reaktionärer Vorgang erscheint. Aber nicht nur Schluß einer Entwickelung ist die Reform, sondern auch Produkt ihrer Zeit selbst. Sie will begriffen sein im Zusammenhang mit den übrigen Taten dieser Zeit.




Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/554&oldid=- (Version vom 28.11.2016)