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Hemden Schlutten Juntli u. dgl. verfertigten; Wollentuch oder Schürlitz oder Zwilch zu verwerken war ihnen untersagt. Jeder war zur Pflicht gemacht anzuzeigen, wenn sie Eine wußte, „die neyt und nit die zunft hat.“

Machtlos dagegen waren Rat und Zunft gegenüber der Konkurrenz des Klerus, vor allem der Beginen und Klosterleute. Weberei und Buchbinderei, aber auch die Gewerbe der Tischmacher Maler Schneider Schuster hatten über diese unzünftige Arbeit von Geistlichen viel zu klagen; erst im Zusammenhang mit den Bewegungen der Reformationszeit gelang es, auch auf diesem Gebiete die Gewerbeprivilegien der Zünfte zur Geltung zu bringen.


Der Vielheit der Gewerbe gegenüber suchte man sich durch genaue Abgrenzung ihrer Gebiete zu helfen, und mit besonderer Strenge wurden, wie wir sahen, diese Grenzen gewahrt bei den innerhalb derselben Zunft vereinigten Gewerben, sobald diese wirklich spezialisiert waren und jedes seinen schließbaren Bereich hatte. Bei verschieden zünftigen Gewerben dagegen wurde die Betreibung des zweiten Gewerbes abhängig gemacht vom Eintritt in dessen Zunft. Damit war die Form der Mehrzünftigkeit geschaffen.

Gegen einen Mißbrauch dieser Möglichkeit schützten die Aufwendungen und Verpflichtungen, die mit jeder Zunftannahme verbunden waren.

Die Mehrzünftigkeit begegnet uns schon in der Zeit Heinrichs von Neuenburg: später ist sie auffallend häufig bezeugt. Sie zeigt nichts Gewerbefreiheitliches; aber sie war Anpassung des Zunftzwanges an vorhandene Bedürfnisse; sie war ein Institut, das die Ordnung ergänzen mußte in einer vom wandelbaren Leben geforderten Form.

Wie sich die Stadt in ihren öffentlichen Anforderungen an die Zünfte mit dieser Einrichtung abfand, ist gezeigt worden. Hier, wo es sich um ihre gewerbliche Bedeutung handelt, ist der Beachtung vor Allem wert der Zustand einer dauernden und gleichsam von vornherein gegebenen Mehrzünftigkeit. So zwischen den Kaufleuten zum Schlüssel und den Krämern zum Safran. Wir sehen diese Mehrzünftigkeit „den durch die zünftige Konstituierung getrennten Handelsstand wieder zu einem Ganzen verknüpfen.“ Daneben aber begegnen auch zahllose einzelne Verbindungen dieser Art zwischen Handels- und Handwerkszünften und zwischen den letztem allein. Hier erleichtert sie die Ausübung zweier verwandter Gewerbe, wie z. B. in dem schon erwähnten Falle der Bildschnitzer; oder aber Handwerker eröffnen sich durch die Zünftigkeit auf einer Handelszunft die Möglichkeit des Handels auch mit andrer als selbstgefertigter Ware; Kaufleute andrerseits werden bei Handwerkern zünftig, um die Befugnis zum Detailvertrieb ihrer Produkte

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 418. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/439&oldid=- (Version vom 10.11.2016)