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Innerste Kraft des gesamten Zunftwesens war ein Gemeinschaftsgefühl, tiefer als die erst aus ihm erwachsende Geselligkeit, edler als die ihm zugrunde liegende Gemeinsamkeit in Arbeit oder Verkauf. Die Zunft war dem Zunftbruder schuldig zu helfen wo es not tat“, und nach seinem Tode war sie es, die ihm „die letzte Ehre erwies, zur Vergeltung Alles dessen, so er der Zunft getan hatte bei seinem Leben.“ Hier wird persönliches Empfinden und Schicksal berührt. Die Art, wie dieses Wechselnde, jedem Einzelnen Eigenste neben Statut und Gewohnheit tritt, gibt der Zunftgeschichte ihren besondern Charakter. Wir erfahren beinahe Nichts von den Individuen und empfinden dennoch, in Gedanken an dies verborgene reiche Leben, schon beim Durchmustern nur der Zunftmitgliederlisten einen eigenartigen Reiz.

Kern und Hauptmasse jeder Zunft war gebildet durch die Angehörigen der ordnungsgemäß in sie gewiesenen Gewerbe. Innerhalb dieser begegnen uns dann die einzelnen Berufsfamilien, die zuweilen von Generation zu Generation bei derselben Arbeit ausdauern und mit dem Zunftrechte die Anhänglichkeit an die Zunft, die Tradition, aber auch die spezielle Fertigkeit, ja vielleicht einen familiären und individuellen Stil weiter erben.

Auch Frauen stehen zahlreich in den Eintrittsbüchern und Heizgeldröteln der Zünfte. Als Meisterwitwen zunächst, die das Geschäft des Mannes fortführen. Aber in viel weiterm Umfange noch sind alle Frauen fähig, von sich allein aus ein Gewerbe zu betreiben, eine Zunft zu empfangen, ihr zu dienen, von ihr gehalten und geehrt zu werden gleich den Männern. Bei dem überraschend starken Überschuß der erwachsenen weiblichen Bevölkerung über die männliche ist diese freie Beteiligung der Frauen an Gewerbe und Zunft von hoher Bedeutung. Sie zahlen das Heizgeld gleich den Zunftbrüdern, außerdem eine jährliche oder fronfastenliche Ersatzsteuer für den persönlichen Wachtdienst; doch behält sich der Rat vor, bei Kriegsgefahr in geeigneter Weise auch die Frauen zum Dienst heranzuziehen.

Aber neben diesem festen Stock bewegt sich in scheinbar grenzenloser Willkür eine Menge anders gearteter Existenzen. Nicht überall. Die Spinnwetternzunft z. B. weist eine sehr geschlossene gleichartige Zunftgemeinde auf. Andre Zünfte wieder, wie etwa zu Weinleuten, zu Safran, zu Gärtnern, erscheinen als offene gastliche Häuser, wo nebeneinander Berufe aller Art derselben Zunft genießen. Bei Handwerkern und Händlern finden wir da die Schreiber, unter denen die Schreiber des Rates und des Gerichtes konsequent die Geltenzunft bevorzugen; ferner Gelehrte Buchdrucker usw. Die ursprünglich gewerbliche Natur der Zunft erscheint dabei wie verhüllt,

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/415&oldid=- (Version vom 10.11.2016)