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sondern auch Adlige als Genossen finden. Gleich diesen heißen sie jetzt Junker; sie mögen sogar Ritter werden. Sie können Adelsfräulein heiraten oder ihre Töchter den Edeln geben. Sie bringen frisches Blut in den Herrenstand, Munterkeit in die durch Mode und Konvenienz langweilig gewordenen vornehmen Häuser. Und dennoch berühren sich in diesem Verkehre nicht Gleich und Gleich. Eine Kluft trennt trotz Allem die zwei Welten. Die „natürliche Antipathie zwischen den vornehmen Adligen und den Männern, denen mit dem Gelde der Rang gekommen“, wirkt auch im Politischen. Schon das XIV. Jahrhundert zeigt uns diesen Gegensatz; das XV. verschärft ihn; das Ende, zu dem die ganze städtische Entwickelung mithilft, ist Ausscheiden des Adels und Absorption des Achtbürgertums durch die allgemeine Bürgerlichkeit.

Aber diese Achtbürger, so schwer zu fassen ihr Bild auch ist, haben dennoch ein historisches Verdienst hoher Art. Dem Stolze, der Berechnung, der Passivität jener Familien gegenüber, die trotz äußerer Möglichkeit zünftisch bleiben, zeigen sie den Vorzug eines freieren beweglicheren Geistes. Der Einzelne traut sich zu, mehr sein zu können, als sein Vater war. Dies Unbehagen im Gegebenen und das Drängen nach Mehr und Höher läßt allerdings Manchen am Schein einer unwahren Existenz sich genügen, Manchen auch daran untergehen, daß er nun über seine Kräfte lebt; im Ganzen begründet es doch den auserwählten Charakter des Standes. Die Ergänzung dieser initiativen Kraft kann die Reife sein, die politische Einsicht, die ein Geschlecht in der dauernden und verantwortungsvollen Tätigkeit am öffentlichen Wesen erwirbt und von jeder Generation auf die folgende erben läßt. Es handelt sich um eine Gruppe im Rat, die wenig Eigenes als Stand aufzuweisen hat, viel Eigenes einzelner Persönlichkeiten. Aber gerade hierin liegt das Große, das die Schwäche der Zwitterstellung wett macht. Dieselben Jahrzehnte, die uns das allmähliche Schwinden des Patriziats im Rate zeigen, sind zugleich die Periode seiner stolzesten Tätigkeit. Heinrich Iselin, Heinrich Zeigler, Antoni von Laufen, Lienhard Grieb treten deutlich als Führer des Rates hervor. Sie gehen nicht zu den Rittern, behaupten ihre Klasse; aber all das Wichtige, das die Zeit auszeichnet, erscheint fast als ihr Werk. Der Schimmer, der auf diesen Taten ruht, strahlt um so heller, weil es Taten eines untergehenden Geschlechtes sind.


Der Hohen Stube gegenüber stehen die Zünfte.

In ihnen finden wir die Masse der Einwohnerschaft. Mit all dem Unerfreulichen Formlosen der Masse, aber auch mit ihrer Fülle Wucht und

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 387. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/408&oldid=- (Version vom 10.11.2016)