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den bei ihnen wohnenden Juden erpressen zu dürfen, diesen die Schuldtitel über gemachte Darleihen nahmen und dabei nicht nur die aus sie selbst lautenden Titel vernichteten, sondern auch der übrigen Forderungen sich bemächtigten und deren Summen in ermäßigtem Betrage von den Schuldnern entweder selbst erhoben oder sich hierüber mit den jüdischen Kreditoren verständigten.

Basel ist diesem Vorgehen keineswegs fern geblieben. So knapp und fast verschämt schweigsam die Angaben des Rechnungsbuches auch sind, geben sie uns doch eine deutliche Anschauung. Wir sehen Ende Junis und Anfang Julis 1385 die Ratsdeputierten in die Judenhäuser gehen, zum Eberlin, zum Moses, zum Rubin, zum Menlin usw., vernehmen die Ausgaben für Pergament u. dgl. zu den Protokollierungen und Inventaraufnahmen, für Bewachung der Juden in ihren Wohnungen, in der Synagoge und auf den Gefängnistürmen, für die wiederholten Gesandtschaften nach Ulm, für die Sendung von fünfhundert Gulden zu des Königs Händen, — all dies kurze Detail, zusammengehalten mit den Abreden der Städte und spätern Äußerungen Wenzels, beweist unwiderleglich, daß auch Basel an der Judenschuldentilgung sich beteiligt hat. Sie war vielleicht der äußerlich größte Gewinn, den es vom Städtebunde zog. Und wie lebendig ist dann der Vorfall mit den Markgrafen von Hochberg, die gleichfalls Schuldner von Basler Juden sind, daher nun auch ihrerseits an der Wohltat der Schuldentilgung Teil haben wollen, über diese Gläubiger herfallen und deswegen mit Basel Streit bekommen. Wieder steht Moses von Colmar im Vordergrunde der Judengemeinde. Er ist der reichste Hebräer zu Basel, hat die meisten und größten Guthaben; die Deputierten gehen auch in sein Haus, nehmen seine Titel, legen ihn selbst in den Turm, sein Weib in den Käfig. Deutlich zeigt sich hier, daß der Rat, wenn er auch seine eigenen Schuldbriefe kassiert, nicht den andern Schuldnern gegenüber einfach an Stelle der Juden tritt, sondern sich mit diesen in die Forderung teilt oder mit ihnen über einen zu zahlenden Betrag, eine Art Loskauf, „teidingt“ d. h. nach Belieben und Vermögen sie bares Geld zahlen oder zur Zahlung sich verpflichten läßt. Daher von jetzt an die hohe Verschuldung der Basler Judenschaft gegenüber dem Rate. Auch Moses muß zahlen, im September 1385 ist er noch zehntausend Gulden schuldig, und der Rat setzt ihm Termine unter Drohung nochmaliger Einkerkerung. Aber Moses stirbt in dieser Trübsal, und seine Witwe Slemme führt nun das Geschäft weiter. Sie ist die vielgenannte Moysessin, mit der des Rates Kassiere von jetzt an zu tun haben. Auch sie scheint gelegentlich andre Juden bei diesen

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/392&oldid=- (Version vom 10.11.2016)