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Eine abseits gelegene, wunderliche Provinz der städtischen Rechtspflege endlich finden wir im Gericht auf dem Kohlenberg. Es war keine Schöpfung der Stadt, sondern wurde wohl mit der Vogtei von ihr übernommen, als alte Gerichtsstätte des fahrenden unehrlichen Volkes.

Diese Gerichtsstätte lag auf dem Kohlenberg, wo die Fahrenden beim Vorbeistreifen Herberge und Freistatt fanden sowie in den dort Angesiedelten Solche, die ihnen selbst gleich oder verwandt waren. Das Gericht heißt zuständig für Frevel und Unzuchten (Schlag- und Schelthändel usw.) der Totengräber, der Bettler, der Gauner, des Henkers und seiner Knechte, ferner für Schuldsachen zwischen fahrenden Töchtern und Frauenwirten, während deren Frevel und Unzuchten vor das ordentliche Gericht unten in der Stadt gehören. Aber Urteiler und Richter sind weder Frauenwirte noch Totengräber noch der Henker noch Bettler und Gauner, sondern die Freiheitsknaben.

Auf dem offenen Kohlenberg, vor des Henkers Haus, unter der Linde ist der Ort des Gerichtes. Sieben Freiheiten sitzen auf der Bank, alle mit entblößtem rechtem Bein; der älteste unter ihnen präsidiert, den Gerichtsstab in der Rechten haltend, den Fuß des nackten Beines in einen neuen Zuber voll Wasser stellend. Dies ist Kohlenberger Recht; im Übrigen vollzieht sich Alles nach den Formen des ordentlichen Verfahrens. Der präsidierende Freiheit verkündet das Urteil im Namen des Rates und auf Befehl des Vogtes; dieser steht während der Verhandlung hinter ihm, unterweisend und leitend; auch die Amtleute und der Schreiber des Stadtgerichtes wirken mit.

So vollzieht sich dieses Gericht, von der städtischen Gerichtsgewalt zwar rings umgeben, doch auf sich selbst gestellt, in seiner Eigenheit geschlossen. Es bietet Rechtsordnung und Rechtspflege auch den verstoßenen, den fremden und schweifenden Leuten, mit deren Händeln das Stadtgericht sich nicht beladen noch beschmutzen mag oder über die es keinen Gerichtszwang hat.


Der Beruf von Obrigkeit auferlegte dem Rat ohne weiteres auch die Fürsorge für Ruhe Ordnung Anstand, die Beaufsichtigung und Lenkung des gewöhnlichen Lebens.

Kein bestimmtes Recht kam hiebei zur Anwendung, keine speziellen Organe bestanden für diese Geschäfte, aus deren Mannigfaltigkeit wir hier nur Vereinzeltes nennen können.

Unmittelbar auf dem Gedanken des Stadtfriedens ruhte die Ordnung über das Tragen von Waffen. Grundsatz war, daß Niemand „lange Messer“

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/364&oldid=- (Version vom 10.11.2016)