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Kompetenz des andern Gerichts. Im engen Bezirk ein verwunderliches Beisammensein und sich Vertragen; doch war vielleicht dem österreichischen Gericht ein eigener kleiner Sprengel zugewiesen. Aber auch mit dem „innern“ Gerichte, dem Stadtgericht, leben diese beiden Vorstadttribunale zusammen; sein Amtmann ist im Vorstadtgericht anwesend, und seine Urkunden sind in den 1370er Jahren von demselben Schreiber geschrieben wie diejenigen des pröpstlichen und des Biedertanischen Gerichts. Von einem Konflikt hören wir nur ein einziges Mal, im Jahre 1401, als der österreichische Schultheiß die Gerichtsbarkeit über Totschlag prätendierte. Der Rat wies diesen Anspruch zurück, und kurz darauf scheint das österreichische Gericht, auf Wunsch der herzoglichen Beamten selbst, eingegangen zu sein.


Während der Gang der Ziviljurisdiktion, seit diese der Stadt gehörte, reichlich bezeugt ist, fehlen genauere Aufschlüsse über die städtische Strafjustiz. Im Allgemeinen zeigt sich, daß der Rat diese Gerichtsbarkeit völlig in eigner Hand hielt und den Vogt, der jetzt sein Beamter war, einschränkte. Früher hatte er dessen Gericht gebildet; jetzt war er selbst Gerichtsherr und als solcher befugt, wie Kaiser Friedrich 1488 ausdrücklich bestätigte, alle Übeltäter, die an Leib und Gut strafwürdig waren und in seinem Gebiete begriffen wurden, zu richten und zu strafen; mit der Vollmacht, dies je nach Bedarf und Gutfinden entweder im Rate geschehen zu lassen oder im Hofe. Hiemit sind die beiden Verfahren der städtischen Strafjustiz genannt.

Der Rat selbst urteilte, ohne Zutun des Vogtes, in der Mehrzahl der Fälle d. h. überall da, wo es sich nicht um todeswürdige Verbrechen handelte, wo man nicht über „Blut Hals und Halsbein“ zu richten hatte. Der Rat handelte hiebei entweder als Hüter des Stadtfriedens oder als Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit; im Einzelnen überliefert sind uns nur solche seiner Urteile, die auf Verweisung lauten, und durchweg wird der Bürger anders behandelt als der Fremde. Völmi der Pfeifer muß 1420 in die Verbannung, weil er sein Weib totgeschlagen und getreten hat; „hätte er seines Bürgerrechtes nicht genossen, man hätte von ihm gerichtet.“

Einem andern, außerordentlichen Verfahren unterlagen die Fälle des Hofgerichtes. Sie waren seltener, sind aber gerade deswegen besser bezeugt. Der Prozeß begann mit dem „gichtigen“ (Befragen auf der Folter) der Angeschuldigten durch die Siebner, denen auch im Verfahren reiner Ratsjustiz diese Voruntersuchung zustand. Zur Hauptverhandlung wurde das Blutgericht gebildet, in dem Neuer Rat und Stadtgericht sich vereinigten

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/358&oldid=- (Version vom 10.11.2016)