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Auch für Basel waren die Fehmgerichte während einiger Jahrzehnte von großer Bedeutung. Auf überraschende Weise sehen wir dieses fremde Gerichtswesen sich in die Basler Verhältnisse eindrängen, unabtreiblich, durch keines der schönen Privilegien bekämpfbar. Vor dieser mit unerhörtem Terrorismus auftretenden Macht unterwarf sich das Gemeinwesen. Ja, in seinen höchsten Behörden selbst sahen zahlreiche Freischöffen, die jenen Gerichten geschworen hatten, durch Mitteilung der geheimen Erkennungszeichen „wissend“ gemacht waren, bei Ladungen der Fehme wie bei Vollziehung ihrer Todesurteile mitwirken mußten. Diese Zugehörigkeit von Magistraten zur westfälischen Gerichtsgenossenschaft, an sich befremdlich, lag doch im Interesse der Stadt selbst; durch den Ersten Besten konnte ja Basel wegen angeblicher Rechtsverweigerung nach Westfalen geladen werden und war bei Mißachtung dieser Zitation den schlimmsten Plagen ausgesetzt, während Freischöffen, die in den Räten saßen, die Sache der Stadt mit Erfolg vertreten konnten. Aber nicht nur dies. Freischöffe zu werden entsprach dem Interesse eines Jeden, des mit dem Amt verbundenen Einflusses und der großen prozessualischen Vorteile wegen, die das Schöffentum einem Angeklagten gab. Wer nur in Basel Ansehen und Namen hatte, wurde daher „Schöffe der freien heimlichen Gerichte zu Westfalen“: Heinrich von Ramstein, Friedrich Rot, natürlich auch der nirgends fehlende Henman Offenburg, dann Dietrich Sürlin, der Blumenwirt Peter Hans Wentikom, die Brüder Hans und Konrad von Laufen, Heinrich Halbisen, Mathis Eberler, Peter Gatz, usw. usw., all die Jahrzehnte hindurch bis zu Hans von Flachsland, Dietrich von Sennheim, Konrad Münch von Münchenstein und bis herab zum Notar Engelfrid, zum Söldner Conrat Sachs, zum obersten Knecht Hans von Prag usf. Auch Markgraf Wilhelm von Hochberg, Freiherr Rudolf von Ramstein, Graf Hans von Tierstein waren Freischöffen. Ebenso der vielgewandte Ratschreiber Gerhard Mecking; vielleicht ist dieser, gerade weil er Westfale war und als solcher in dieser nie ruhenden Heimsuchung der Stadt nützen konnte, in ihren Dienst genommen worden.

Überaus zahlreich sind die Fälle von Eingreifen dieser Gerichte. Die 1430er, 1440er, 1450er Jahre waren von ihrem Treiben erfüllt. Neben die Gewalttaten Überfälle Beraubungen, denen Basel die Seinen unaufhörlich auf allen Straßen ausgesetzt sah, traten gleichwertig und um Nichts besser die westfälischen Prozesse; sie vollzogen sich mit allen Prätensionen von Recht und Gerechtigkeit, und doch lag ihnen meist nichts Anderes zu Grunde als die schamlose Trölerei und Ungebühr irgend eines Widersachers der Stadt. Gerade die Nichtswürdigsten unter ihren Feinden griffen zum Mittel

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/346&oldid=- (Version vom 10.11.2016)