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in der Bestimmung, daß die Basler, wenn sie im Fall einer Klage nicht nach Laut ihrer Freiheit vor Stadtgericht Recht nehmen wollten, nur vor dem Kaiser oder vor dem Hofgericht zu Rotweil belangt werden könnten. In dieser Beschränkung wenigstens, die alle Landgerichte ausschloß, lag noch ein Vorrecht; aber daß die Bestimmung in dem Dokument gar nicht als Konzession Basels dasteht, sondern als Gnade und Gunst des Kaisers, erklärt sich aus den Verhältnissen. Der Rat lag in Streit mit Bischof Caspar und mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß das Schultheißengericht wieder bischöflich werde; dieser Gefahr suchte er durch die Bestimmung des Privilegs auszuweichen, die den Baslern freistellte, sich dem Basler Gerichte zu entziehen und vor kaiserlichem Gerichte Recht zu nehmen. Ganz im Einklang mit der Tendenz der Antwerpner Verhandlungen, Basel enger als bisher ans Reich zu binden; hiezu paßte auch, daß dieselben Rotweiler Richter, denen gegenüber Basel in den letzten Jahrzehnten so oft seine Freiheiten gewahrt hatte, nun zu Schirmern eben dieser Freiheiten bestellt wurden. Aber der Vorgang blieb überhaupt ohne Wirkung, da Basels Streit mit dem Bischof keine Erledigung fand und das Schultheißengericht in Händen des Rates blieb, sodaß dieser gar nicht Anlaß hatte, von der Gewährung Gebrauch zu machen.

Vielmehr trat er nach wie vor beim Rotweiler Hofgericht für die ausschließliche Zuständigkeit seines Schultheißen ein, und auch nach dem Bunde von 1501 sehen wir ihn dort seine Prokuratoren halten, seinen Freiheitsbrief deponieren. Über Belästigungen seiner Bürger durch das Hofgericht hatte er noch 1515 und 1516 zu klagen und machte in heftiger Weise sogar die Stadt Rotweil dafür verantwortlich.


Einen Gegensatz besonderer Art gegen das „inlendige recht“ bildeten die westfälischen Fehmgerichte, die mit ernsten, von Geheimnis umgebenen Formen eine furchtbare Macht ausübten. Die deutschen Gebiete empfanden im Walten dieser Fehme die Kraft der alten Grafengerichte; auf ihre Eigenschaft königlicher, im Namen des obersten Gerichtsherrn amtender Gerichte sich berufend, durch die Schwäche der öffentlichen Gewalt begünstigt, hatten sie Geltung weit über Westfalen hinaus und im ganzen Reiche gewonnen, zunächst im Richten über Landfriedensbrecher, dann indem sie alle Klagen über Rechtsverweigerung im weitesten Sinne annahmen, durchweg mit dem Verfahren, daß sie den unentschuldigt ausgebliebenen Beklagten, sobald der Kläger die Schuld beschworen hatte, verfehmten und damit zur Hinrichtung durch Freischöffen, wo er nur betroffen würde, bestimmten.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/345&oldid=- (Version vom 10.11.2016)