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gen Minder Basel an die alten Malstätten vor St. Niclaus oder auf dem Stein im Rappoltshofe wies und daß das Kleinbasler Stadtgericht diesen Zug annahm und tatsächlich als Obergericht im Rappoltshof auf dem Stein urteilte, war eine Seltsamkeit, ein wieder aufgegriffenes Überbleibsel vergangener Zustände. Dem entsprach auch das Aufsehen, das der Vorgang erregte; der Basler Rat, dem das Wiederaufleben eines solchen Rechtes gefiel, so daß er es auch später noch geltend zu machen suchte, ließ zum Andenken an diese merkwürdige Gerichtssitzung Brot unter die Jugend verteilen. Weiter ist hier die Teilnahme des Kleinbasler Schultheißen am Gerichte beim Neuen Haus zu erwähnen, in dessen Leitung er mit dem Vogt von Weil alternierte. Auch hiebei handelte es sich um alte Beziehungen; diese wurden neu geregelt 1488 im Vertrage Basels mit Markgraf Philipp.


Das Recht, das an diesen Gerichten galt, vermögen wir nicht darzustellen. Noch immer stützten sich die Sprüche vor Allem auf die alte gute Gewohnheit der Stadt, die Observanz, die Sitte. Zum Erstaunen eines Fremden von der Art des Enea Silvio, der dieses Leben unter einem nicht geschriebenen, herkömmlichen Rechte mehr lacedämonisch fand als athenisch. Weniges war in Ratsbeschlüssen fixiert; zu umfassenderer Kodifikation wurden die Gerichtsordnungen nur sehr allmählich benützt, hier allerdings in der Absicht, der intensiven Tätigkeit des geistlichen Gerichts gegenüber ein Stadtrecht auszubilden, die am Stadtgericht für die weltlichen Sachen zur Anwendung kommenden Grundsätze bestimmter zu normieren. In der Hauptsache war doch der Rechtsbesitz, den das rührige Stadtvolk sich selbst geschaffen und immerfort mehrte, in den Urteilen niedergelegt und erwahrt. „Die Schöffen waren lebendige Archive Chroniken Gesetzbücher, Alles in Einem, und richteten nach altem Herkommen und wenigen Statuten ihre Bürger und die Nachbarschaft.“ Bis gegen Ende des XV. Jahrhunderts durch die jetzt aufkommenden Advokatenplaidoyers von Juristen wie Helmut u. A. das fremde römische Recht, bisher schon durch das geistliche Gericht mächtig gefördert, nun auch in die Akten des weltlichen Gerichtes einzudringen begann.

Als Einzelheiten sind nur namhaft zu machen die zu gegenseitiger Ordnung von Recht und Verfahren getroffenen Abreden mit Nachbarherrschaften. Vor Allem mit der Herrschaft Oesterreich im Sundgau. Was im Verkehr mit ihr an Streit und Mißbrauch sich ergeben hatte, war durch den großen Vertrag von 1449 beglichen worden; eine seiner wichtigsten Bestimmungen, über das Pfändungsrecht der Basler im österreichischen Gebiet, fand 1457 wörtlich Aufnahme in die Basler Gerichtsordnung.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/341&oldid=- (Version vom 10.11.2016)