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Ein sicherer Stil, der Hohen wie Niedern allezeit bewußt blieb, ließ das Ansehen des Regiments durch solche unamtliche, ja familiäre Betätigung keinen Schaden leiden. Er ist es auch, der die mancherlei Zeremonien und selbst die Fröhlichkeiten, von denen die Arbeit der Behörde begleitet war, nicht als etwas Fremdes, sondern als gleichwertige Bestandteile von Ratsordnung und Ratspflicht erscheinen ließ. So natürlich die Feier der Jahrzeiten der alten Bischöfe, die Teilnahme am bischöflichen Leichenkondukt, die Darbringung von Kerzen zum Heiligen Grab im Münster jährlich am Karfreitag. Es waren dies Leistungen, mit denen nicht bloß eine Höflichkeit bezeugt wurde; in ihnen lebte vielmehr noch ein Rest alter Zusammenhänge, so gut wie in den geweihten Kerzen, die das Domstift jährlich auf Lichtmeß allen Gliedern der Stadtverwaltung spendete. Aber auch die Ratsmahlzeiten treten in Akten und Rechnungen mit dem Ernst von Geschäften auf. Wie oft schloß sich an Augenscheine und Konferenzen wenigstens ein Trunk. Gesandte verbündeter Regierungen oder hohen Besuch liebte der Rat zu gastieren und hatte hiefür gewöhnlich eine der Herrenstuben zur Verfügung. Aber auch ohne solchen Anlaß sehen wir namentlich die Häupter beständig zu Tisch geladen, bei Zünften, bei den Schützen, bei einzelnen Beamten, in Klöstern. Oft tafeln die Räte zusammen, wenn ein Hirsch im Stadtgraben erlegt worden ist, oder wenn einer der Landvögte, der Bischof, befreundete Adlige ein Stück Wildpret geschickt haben. Das Gericht hat seine Mahlzeiten, und jährlich am Dreikönigtag ist der Schmaus der Stadtknechte, zu dem der Rat den Wein stiftet. Das „Rechenmahl“ der Siebner ist ein Teil ihrer Besoldung. Wenn die neuen Räte nach Johannis eingeführt werden, haben ihnen die Lohnherren eine „Morgensuppe“ im Rathause zu rüsten; zur selben Jahreszeit findet jeweilen auf der Stube zum Brunnen ein offizielles Fischessen des Rates statt, wenn der Teuchelweiher oder einer der obrigkeitlichen Fischteiche geleert wird; 1521 aber werden diese beiden Mahlzeiten zu einem großen Bankette vereinigt, das von nun an jährlich an Kaiser Heinrichs Tag durch Rat und Gericht gemeinsam im Rathause soll gehalten werden.


Das Gebäude, in dem als im Hauptsitze städtischen Lebens dies ganze mannigfaltige Leben sich gesteigert zusammenfand, wird heute vergeblich gesucht. Das Rathaus des XIV. und XV. Jahrhunderts ist untergegangen, der glorreiche Bau, den ihm das junge eidgenössische Basel anfügte, nur noch in Resten erhalten. Aber was wie damals das erste Haus der Stadt ist, erhebt sich heute an derselben Stelle, über den alten Grundmauern, ist noch belebt durch zahllose Schatten jener Zeit.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/271&oldid=- (Version vom 24.10.2016)