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er wählte auch alle Beamten, selbst die subalternsten. Das Öffnungsbuch zeigt uns, wie er unaufhörlich zu ernennen hatte, vom Stadtschreiber Schultheiß Landvogt an bis zum Torwart, zum Kaufhausknecht, zum Holzmesser.

So war alle Gewalt im Rate zusammengefaßt, und dem entsprach, daß nur wenige Beamte im modernen Sinne bestanden (neben zahlreichen niedern Angestellten), aber viele Behörden. Überall freilich tritt die Verschiedenheit des Rechtsgrundes zu Tage, auf dem diese ganze Existenz ruhte. Die Stadt besaß viele ihrer Regalien nur als Pfand, war daher in der Verfügung gehemmt. Die Folge war eine große Mannigfaltigkeit der Verwaltungskörper. Aber man behalf sich mit dieser, weil man auch an sich das Bedürfnis geschlossener Administration nicht hatte. Von Kasseneinheit war keine Rede; eine Reihe von Sonderhaushaltungen (Münze Kaufhaus Salzhaus) standen nebeneinander. Und in jeder, auch in der Hauptkasse des Rates herrschte das wunderlichste Durcheinander von Groß und Klein, so daß auf derselben Seite des Rechnungsbuches die Kosten einer Verhandlung mit dem Papst und des Ankaufs einer Rattenfalle für das Rathaus dicht nebeneinander stehen konnten. Wir vermissen aber in diesem reich gegliederten Mechanismus überhaupt eine klare Scheidung einzelner Teile; die Grenzen der verschiedenen Gewalten sind nicht mit Bestimmtheit zu erkennen; die Behörden konkurrieren, und die jeweilige persönliche Besetzung entscheidet wohl, ob ein Geschäft diesem oder jenem Kollegium zuzuweisen sei. Die Behörden haben nicht ihre unveränderlichen Machtbereiche und daher auch nur zum Teil individuelle, solchem Bereich entsprechende Titel. Man begnügt sich mit der nichtssagenden Bezeichnung nach ihrer Mitgliederzahl (Dreier Fünfer Siebner Neuner usw.), wobei auch die Vorstellung mitwirken mag, daß sie im Grunde nur größere oder kleinere Ausschüsse des Rates seien. Auffallend ist auch, wie sie sämtlich auf kurze Fristen gesetzt sind, wie nicht nur Bischof und Rat alljährlich unverdrossen das Stadtregiment in der alten Form wieder für ein kurzes Jahr aufbauen, sondern wie dies Regiment durch alle seine Stufen hindurch für dieselbe Zeitpause erneuert wird. Das erste Geschäft des neuen Rates ist immer, daß die sämtlichen Beamten vor ihn kommen und ihre Ämter aufgeben, damit er sie nach Erfordernis besetze; das Gleiche geschieht mit den Kollegien. Wenn auch die Nachteile, die dieses Verfahren haben kann, durch das faktische Perennieren von Räten Kollegien und Beamten aufgehoben werden, so bleibt doch der Grundsatz des jährlichen Wechsels in Geltung. Nichts Befestigtes, kein Gefühl von Dauer. Man ist auf Alles gefaßt; aus Vorsicht Mißtrauen Opportunität

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/263&oldid=- (Version vom 5.7.2016)