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Vergleichen wir die Listen dieser Kollegien mit den Ratslisten, so überrascht uns die Wahrnehmung, daß die Last der Geschäfte und der Verantwortung samt dem Glanz von Macht Rechten und Verdienst auf Wenigen ruhte. In den langen Reihen der Ratsmitglieder waren es stets nur Einzelne, die für alle diese Geschäfte tauglich waren und daher die große Arbeit zu tun bekamen. Denn neben den unaufhörlich deputierten „Botten“ und den ständigen Kommissionen der Neuner usw. bestanden zahlreiche Kollegien für die verschiedenen Gebiete der Administration, die fast ausschließlich ebenfalls mit Gliedern des Rates besetzt wurden. Die Siebner Dreier Deputaten Unzüchter waren durchweg der Räten; ebenso die Kaufhausherren Ladenherren Bauherren Ehebruchherren usw.; in den Kollegien der Fünfer Feuerschauer Schafschauer saßen stets Ratsglieder. Auch Beamte wie die Obervögte der Herrschaften wurden immer, Salzmeister und Lohnherren oft aus dem Rate genommen. Und zu dem Allem kamen die täglichen Sitzungen des Rates selbst, die Arbeit im Stadtgericht, die zahllosen auswärtigen Konferenzen und Gesandtschaftsritte.

Was bei einer solchen Ordnung der Geschäfte möglich war, zeigt uns z. B. der alte Rieher, der 1495 neben seinem Oberstzunftmeistertum noch dreizehn Ämter in Kollegien und Pflegereien inne hatte. Aber wir dürfen keineswegs nur an die Mißbräuche macht- und sportelsüchtiger Kumulation oder an Begünstigung Unfähiger und Ausnützung des gemeinen Wesens durch Koterien denken. Der ganze Zustand kann auch schöne Aufopferung oder edeln Ehrgeiz Einzelner bezeugen und ebenso eine rücksichtslose Verfügung der Stadt über ihre Bürger. Was z. B. in Augsburg Peter von Argon zum Nutzen der Gemeinde aber zum schweren Schaden seiner privaten Interessen tat, mochte sich hier in Basel bei manchem Ratsmitgliede wiederholen, und nur selten kam es, wie bei Meister Henikin 1404, zur Anerkennung ja Vergütung solchen Opfers durch die Stadt.

Eine Leistung Einzelner in öffentlichen Dingen offenbart sich uns, die erstaunlich ist; nicht nur als Summe von Arbeit schlechthin, sondern als Zeugnis einer merkwürdig vielseitigen Begabung und Brauchbarkeit.

Aber unsere Vorstellung wird erst vollständig beim Gedanken an die grenzenlose Kleinarbeit, die täglich hart neben dem Größten zu leisten war. Der Rat hatte formell Alles in der Hand, jedes Detail kam vor ihn, das interne wie das auswärtige, und unter die großen Affären mengten sich stets zahllose oft läppische Einzeldinge, unter die Angelegenheiten des Gemeinwesens die Streitigkeiten Einzelner, Schuldsachen Handelsanstände Familienzank. Der Rat besetzte nicht nur sämtliche Kollegien;

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/262&oldid=- (Version vom 5.7.2016)