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Erkennbarer als bei andern Männern des Regimentes ist uns die persönliche Art und Fähigkeit dieser städtischen Schreiber. Sie bezeugen den die Stadtgeschichte schaffenden Geist und Willen durch Korrespondenzen Aufzeichnungen Verträge usw., die alle ihr Werk sind; sie legen die Stadtbücher an, pflegen und mehren sie; sie schaffen eine Registratur; sie ergänzen ihre Kanzleiarbeit durch das Schreiben einer offiziellen Stadtchronik.

Aber ihre Bedeutung liegt nicht nur darin, daß sie Überlieferer und Wortführer für uns sind. In ihrer Zeit selbst war Mancher unter ihnen tatsächlich der erste Mann der Republik, wenn er auch nur ihr erster Diener hieß. Hiezu berechtigte sie vor Allem, daß sie zu einer Zeit, da Vielen das Wissen des Schreibens und Lesens noch fehlte, die offiziellen Schriftgelehrten waren; ihr Ansehen ruhte aber auch auf einer noch viel weiter gehenden Überlegenheit der Bildung, sowie auf einem nicht gewöhnlichen Geschicke des Verkehrs, wozu auch Redegewandtheit gehörte nebst Menschenkenntnis und Klugheit und jedenfalls die Gabe, im richtigen Momente sich selbst auszutilgen und bei voller Bewußtheit der eigenen Macht und Leistung doch nichts Anderes sein zu wollen als der Beamte. Das Übergewicht wurde vollends dadurch erreicht, daß der Stadtschreiber blieb, auch wenn die Regenten wechselten, daß er allezeit auf dem Platze war und die Tradition festhielt.

Aus Solchem erklären sich Einfluß und Ansehen dieser Männer; dementsprechend war die Besoldung des Stadtschreibers in der Regel die höchste im Staate. Auch galten er und der Ratschreiber als die Tauglichsten für Gesandtschaften. Doch sparte man sie für die wichtigsten Fälle, wenn der Stadt „groß Ehaft und Not“ auf dem Spiele stand, um sie ihren sonstigen Geschäften so wenig als möglich zu entziehen.

Bemerkenswert ist bei alledem ihre isolierte Stellung. Sie kommen fast Alle von Außen herein, stehen wie Fremde mitten im Zentrum der Geschäfte, werden oft erst spät in die Bürgerschaft aufgenommen. Ohne Zweifel aus Absicht. Die Stadt will ihren Sekretär von allen hemmenden Beziehungen frei haben; er soll für sein Amt nicht als Bürger, sondern als Person interessiert sein. Statt des Bürgereides bindet ihn der Amtseid und über diesen hinaus noch der viel strengere Eid des Hehls. Es ist ein System, das mit der starken Wirkung von Heimatgefühl und Gemeingefühl nicht rechnet und sich auf Eide, auf Ehrgeiz und Gewissenhaftigkeit verläßt. Daß aber diese Mächte zu Zeiten dem Locken und Lohnen auswärtiger Regierungen gegenüber versagten, zeigen z. B. die in deren Archiven sich findenden Indiskretionen Marquard Müllers und Gersters.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/252&oldid=- (Version vom 1.8.2018)