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Anregungen und Anträge vor den neuen Rat zu bringen. Er hielt seine besonderen Sitzungen, und unzählige Geschäfte wurden ihm durch den neuen Rat zur Vorberatung zugewiesen. „Der alte Rat rät, der neue beschließt,“ sagt schon Enea Silvio. Aber wenn auch zu Zeiten getrennt, bildeten sie doch gemeinsam die Regierung, und dem neuen Rate stand die Berufung des alten frei. Jedenfalls saßen sie bei der Gesetzgebung und allen wichtigen Fragen beisammen. Man sprach nicht mehr vom Rate, sondern von den Räten.

Diese Räte hielten jeden Wochentag Sitzung, mit Ausnahme des Freitags, im Sommer um sieben Uhr, im Winter um acht Uhr Morgens. Zur Sitzung riefen die Ratsglocken der Martinskirche; die erste Glocke, die eine Viertelstunde lang geläutet wurde, entbot den neuen Rat; die zweite, mit halbstündigem Läuten, den alten. Hatten die zwei „Zeichen“ verläutet, so begann die Sitzung mit dem Niedersitzen der Häupter, dann dem Appell durch die Kanzlei.

Das Einzelne der Geschäftsordnung, die Verteilung der Geschäfte auf die Wochentage, die Bestimmungen über Zuspätkommen Wegbleiben Austritt u. dgl. können hier nicht erörtert werden. Nur über die Häupter, Bürgermeister und Oberstzunftmeister, deren Titel auf die beiden Gruppen der berechtigten Bevölkerung (Burger und Zünftige) weisen, ist Einiges zu sagen.

Sie präsidierten in den Ratssitzungen, leiteten die Abstimmungen, übten Disziplin. Sie öffneten die einlaufenden Briefe, vollzogen die Ratsbeschlüsse. Eine durch Beschluß erledigte Sache nochmals vorzubringen, war ihnen untersagt. Sie hatten die Repräsentation des Stadtregimentes gegen außen und gegenüber dem einzelnen Bürger; daher sie täglich nach Tisch Jedermann zur Audienzerteilung bereit stehen mußten.

Eigenartig war die Stellung des Oberstzunftmeisters. Ursprünglich nur Vorsteher der Zunftmeisterversammlung und als solcher zum ersten Mal in der Zeit hervortretend, da die Zunftmeister soeben wieder aus dem Rat ausgeschieden waren, unter Bischof Peter Reich, wurde er zum zweiten Haupte der Stadt erst durch den Eintritt der Zunftmeister in den Rat 1382. Aber auch jetzt noch erinnerte Manches an die frühe Zeit der Bildung der Zünfte und die alte bischöfliche Herrschaft. Wie der Oberstzunftmeister durch den Bischof nicht auf Vorschlag oder nach der Vorwahl des Rates gleich dem Bürgermeister, sondern frei gegeben wurde, so war auch die, gelegentlich durch Bischof Caspar ausgesprochene Meinung, daß er an Statt des Bischofs und als dessen Amtmann im Rate sitze. Hiezu stimmt, daß bei Behandlung bischöflicher Sachen mit den Lehnsmannen des Bischofs auch der Oberstzunftmeister austreten mußte. Den Eid auf die Handfeste

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)