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Neben den ehrwürdigen schönen Formen und Geberden dieses Vorgangs ist die jährlich frische Jugend der Gräser und Blumen, die dabei gebraucht werden, überaus anmutend, und schön überhaupt, wie die ganze sommerliche Poesie und aller Glanz der Jahreshöhe die Feier umgibt.

Die Einleitung geschah, jeweilen zu Beginn des Juni, durch eine Gesandtschaft des Rates an den Bischof mit der Bitte, der Stadt wieder Häupter und Rat zu geben. Der Sonntag vor dem Johannisfeste war der hiefür bestimmte Tag. Am Vorabend, dem Samstag, gingen sodann Bürgermeister Oberstzunftmeister und Räte selbst hinauf in den Bischofshof und wiederholten das Begehren. Sie brachten den Ehrenwein der Stadt und wurden vom Fürsten zur Tafel gezogen. Während sie spiesen, hörten sie, wie draußen die vier Gerichtsamtleute auf den von den Erbämtern hiefür gelieferten Pferden, jeder ein weißes Stäblein tragend, in den Hof ritten und für den nächsten Morgen zur Wahl luden. Dann ritten diese Amtleute weiter und durch die ganze Stadt, den Ruf laut wiederholend; in der späten Nacht, ehe es zu tagen begann, zogen nochmals die Wachtknechte durch die Gassen und geboten mit heller Stimme zur Ratswahlauf dem Münsterplatz.

Vergegenwärtigen wir uns hier die Menschenmenge, die unter dem Geläute der Glocken von allen Seiten heraufzog, über dem Ganzen ruhend das Licht des hellen Sommervormittags, und vor dem mächtigen Münster um den Bischofsthron gesammelt den Glanz der Geräte, die Teppiche, die Kränze, die funkelnden Gewänder, die Linden dabei die in Blüte und Duft standen, — so sehen wir ein überaus reiches Bild.

Vom Augustinerkloster her, wo der Rat an diesem Morgen die Kieser ernannt hatte, kam er in geordnetem Zuge, dann vom Bischofshof unter Vorantritt von Schultheiß und Amtleuten der Bischof oder sein Statthalter. Er ließ auf dem steinernen Throne sich nieder, der vor der Nordwand des Münsters, am Pfeiler der Kapelle des Erzbischofs von Mainz, errichtet war, und die Handlung begann. Mit Verlesung des kaiserlichen Freiheitsbriefes der Stadt durch den Stadtschreiber, dann der Handfeste, dann der Liste der Kieser. Auf der niedern Steinsäule, die vor dem Throne stand, lag über goldener Decke das uralte, einst von Kaiser Heinrich dem Münster geschenkte Plenarium; auf dieses leisteten die zwei Domherren, die Kieser waren, den Wahleid; die Andern schworen ihn mit erhobenen Fingern. Hierauf zogen sie, vom Bischof geführt, in das nahe Haus der Münsterbauverwaltung (heute der Lesegesellschaft), wo in der obern Stube nun durch sie der Rat gewählt wurde, während im Vorsaal der Schultheiß, die Amtleute und die

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/246&oldid=- (Version vom 1.8.2018)