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Merkwürdig kontrastiert mit dem Allem, wie entkleidet der Bischof von wirklicher Fürstenhoheit zu Basel war. In der unter Bischof Gerhard von Wippingen beginnenden Entfremdung zwischen Bischof und Stadt angekündigt, dann durch allerhand Übergriffe des Rates schon vor der formellen Dahingabe vorbereitet, war diese Depossedierung seit Ende des XIV. Jahrhunderts tatsächlich vollzogen. Dem entsprach, daß der Bischof seiner Stadt auch persönlich ferne trat. Als er einmal, durch die Not der Zeit gedrängt, das ganze Jahr 1445/46 hindurch in Basel weilte, fiel dies auf. Der alte Stadtherr war zum Nachbar geworden.

So erscheint das ganze, in Handfeste und Solennitäten festgehaltene Wesen wie eine Unwahrheit, jedenfalls wie ein Anachronismus. Dennoch hielt man es fest. Zum Teil wohl aus Gewohnheit, durch die magische Gewalt des Herkommens gebunden, vielleicht in einem Gefühle von Pietät. Namentlich aber, weil man beiderseits einen Vorteil dabei fand.

Der Bischof jedenfalls. Wenn er Lust und Kraft hatte, konnte er gemäß der Handfeste die Wiederherstellung des Rechtszustandes versuchen, der vor zweihundert Jahren gegolten hatte. Die Erteilung der Handfeste und der jährliche Eid des Rates gaben ihm jederzeit Waffen in die Hände. Daher denn auch die wiederholten Streitigkeiten und dann der große Kampf, der das Ende des XV. Jahrhunderts erfüllt. Wenn aber in ruhigen Zeiten der Bischof die Stadt gewähren ließ und trotz ihrer dem alten Bischofsrecht entgegenlaufenden Entwickelung sich durch die jährliche Ratsgewährung mit Allem einverstanden erklärte, so mochte er das tun, weil er sich unleugbar auf die Stadt angewiesen sah. Denn der städtische Rat war und wurde immer mehr der Schirmer, der Helfer, der Ratgeber, überhaupt der Starke. Mit dieser tatsächlichen Kraft mußte mehr gerechnet werden als mit Prinzipien. Basels Macht gab auch dem Bistum Ansehen und schuf Hilfe in Nöten. Brauchte der Bischof Geld, so fand er es nirgends so leicht als in dieser Stadt. Was er hier vornahm, war zu überblicken, während das Hereinziehen eines Fürsten in die Bistumsangelegenheiten die größten Gefahren barg.

Aber auch die Stadt hatte ein Interesse daran, daß ihre Beziehungen zum Hochstift äußerlich die alten blieben. Es konnte dem Rate zu Zeiten gelegen sein, Basel als eine Stadt des Bischofs auszugeben. Wir haben gesehen, wie er dies gegenüber Frankreich und gegenüber dem deutschen Kaiser tat. Sodann aber kommt in Betracht die Beschaffenheit des Rates selbst, seine Mischung aus Ständen und Parteien. Die Führer waren Führer nicht nur um ihrer Persönlichkeiten willen, sondern auch Dank diesem

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/223&oldid=- (Version vom 1.8.2018)