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hineindrängen, mit ihrem Vieh den Weidgang belasten. Aber die Bürger selbst auch halten sich jetzt nach Möglichkeit hinter den Mauern, meiden das unsicher gewordene Land. Wenn sich Einer mit seinen Waren dennoch hinauswagt, kann ihm Übles widerfahren. Die Leute im Birstal lauern auf diese „hin und wieder laufenden Krämer“, behandeln sie als Spione. Im Sundgau geschieht das Gleiche; kein Basler Metzger ist dort seines Lebens sicher, der Schaffner von St. Leonhard kommt um sein Roß, da er den Zehnten zu Kappeln holt, u. dgl. m. Denn was gilt noch der Einzelne? Die Partei ist Alles, Schweizer oder Österreicher, Kreuz oder Pfauenfeder, weißes Kreuz oder rotes. Diese Scheidung geht durch Alle, durch den Rat, die Zünfte, die Klöster, die Weiber unter der Haustür und am Brunnen, und die Erregung dieser allgemeinen Parteinahme wird immer leidenschaftlicher, je länger der Krieg dauert, je wilder und erbarmungsloser er geführt wird. Sie wirkt überall, verhalten und hämisch in geheimen Warnungen, auch in falschen, absichtlich irreführenden Nachrichten, die von Einzelnen bald in dieses, bald in jenes Lager gehen, aber laut herausfordernd kriegerisch in politischen Liedern, in den Streitereien am Tor, wenn ungeberdige Solothurner Einlaß verlangen, und im Trotze der Edeln, die gütlich hereingelassen wurden und nun an der Spitze ihrer Knechte mit gespannten Armbrüsten durch die Gassen traben. So besonnen und tätig der Rat auch waltet, er kann es Keinem zu Gefallen machen und der Siegesübermut so gut wie die Scham des Überwundenen führen dazu, an dieser neutralen, überall im Wege stehenden Stadt eine Schuld zu finden.

Den Gegensatz zu der wohlbehüteten Stadt aber bildet ihre Landschaft, die wie preisgegeben ist, ja die sich selbst preisgibt. Macht und Ansehen Basels leben fast nur noch auf den Schlössern; aber von allen Seiten und nicht zum wenigsten von den Untertanen selbst wird hier den Landvögten zugesetzt mit Begehren Anerbietungen Drohungen. Sollte der Farnsburger Vogt von solchem Drohen sterben, er stürbe täglich. Ganz ersichtlich ist, wie diese Beamten, die zu Beginn des Krieges noch Vertreter der Herrschenden und selbst die Herrscher waren, allmählich fast nur noch Agenten werden, die Berichte sammeln und senden. Sie haben die Beherrschten und die Mittel der Herrschaft verloren. Dies gilt auch von den Hauptleuten, die mit ihren Söldnern dem eingebornen Regiment in Liestal beistehen sollen. Liestal neigt sich schon früh zu den Eidgenossen, und seinem Beispiel sowie den bald lockenden bald drohenden Schweizern folgen andere Gebiete. Immer bestimmter muß der Rat wahrnehmen, daß seine Herrschaft da draußen wankt.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/187&oldid=- (Version vom 24.10.2016)