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Oberstzunftmeister Heinrich Rieher, derselbe, gegen den vor allen Andern auch der Sturm von 1479 sich gerichtet hatte. Wir sehen den politischen Kämpfen zur gleichen Zeit entsprechende Bewegungen auf dem gewerblichen Gebiete parallel gehen. Dabei handelt es sich um den Gegensatz von Kleinhandel und Großhandel, um die Gegnerschaft des Handwerks gegen „Gewerb und Kaufmannschaft“; es handelt sich um die Versuche, gegen die Handelsgesellschaften vorzugehen. Durchweg um eine Opposition der „niedern“ Zünfte gegen die „hohen“, aber auch um eine Opposition gegen Einzelne, die zwar den Handwerkerzünften angehören, aber in Tätigkeit und sozialer Stellung den Kaufherren und Patriziern gleichen. Das Wesen dieser wirtschaftlichen Bewegung wird noch zu schildern sein. Hier muß sie erwähnt werden, weil sie mit der Krisis im Gebiete der politischen Macht sich verband.

Wir haben auch hier die durch Alles hindurch gehende Unruhe vor uns. Neben der Fülle und Hast der Geschäfte, die den Rat beinah außer Atem bringen, eine unaufhörliche Erschütterung des Ratsbestandes selbst durch Kämpfe um wirtschaftliche Dinge, um Geschäftsordnung und Verfassung, um persönliches Ansehen.

Von der die gesamte Bürgerschaft aufregenden und zerteilenden Gährung zeugen die starken Mutationen, die während der 1490er Jahre in der Ratsbesatzung vorkamen. Der Bestand in vorhergehenden Jahrzehnten war stabiler gewesen. Die Mutationen sind aber zahlreicher bei den Zunftmeistern als bei den Ratsherren, worin wir eine direkte Wirkung der in den Zünften selbst geschehenden Kämpfe sehen dürfen.

Namentlich aber verdienen Beachtung die zahllosen Debatten und Resolutionen dieser Jahre über die Ratsverfassung, die vielen Beschlüsse zur Geschäftsordnung, die Umgestaltung wichtiger Kollegien. Schon die Einsetzung der Fünfzehner 1479 sollte den Zünften eine stärkere Beteiligung an der Verwaltung des Stadtvermögens geben. Die Behörde trat aber nicht in Wirksamkeit; man suchte denselben Zweck zu erreichen durch eine Erweiterung des Dreizehnerkollegs zu einem Zweiundzwanzigerkolleg in der Weise, daß hier neben Sieben von der Hohen Stube (mit Einrechnung des Bürgermeisters) Fünfzehn von den Zünften saßen. Von 1481 an bestand dieses Kollegium, erst XXIII, seit Herbst 1492 XXII geheißen, bis zur Ratserneuerung 1498. In frühere Jahre zurück reichen auch die Anfänge einer Verfassungsrevision. 1480, 1482, 1487 beriet man Änderungen von „der Stat ordnungen“; im Herbst 1494 hatte man zu reden „vom Regiment und der Räte Ungehorsam“, und im folgenden Frühjahr, nach dem Sturze Riehers, wurde der Auftrag zur Vorberatung einer Revision unmutig erneuert:

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/173&oldid=- (Version vom 28.8.2016)