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Andrer Acht geben, hören was die Städte sagen, die vor ihm den Sitz haben.

So beschaffen ist diese Zeit. Zahllos sind die Zusammenkünfte in Basel oder auswärts, an denen der Rat teilnimmt, massenhaft die einzelnen „Sachen“, zu denen „Botten“ geordnet werden. Das Ratsbuch enthält in diesen Jahren gar keine Beschlüsse mehr, sondern nur noch Einträge der Kanzlei über Zuweisung von Traktanden, über Ort und Zeit von Konferenzen, nur Notizen und Gedächtnishülfen. Keine Muße bleibt mehr zu irgendwelcher Ausfertigung oder Protokollierung; das Bedrängte Atemlose des Geschäftsganges tritt uns aus diesen Blättern aufs Lebendigste entgegen.


Das Bild der Ratsversammlung in diesen Jahren ist höchst eigenartig. Wie die Edeln auf Wenige reduziert, die Geschlechter nicht mehr vollzählig und immer schwächer vertreten sind, wird an anderer Stelle näher geschildert. Dieser Dekadenz gegenüber nun die aus unerschöpflich reichen und frischen Quellen immer neu genährte Kraft des Bürgertums, die immer in voller Zahl auftretende Repräsentanz der Zünfte. Ganz abgesehen vom numerischen Übergewicht zeigte diese Erscheinung eines in seinen Funktionen nie gehemmten Organs aufs deutlichste, wem die Zukunft des Rates und der Stadt gehöre. Aber freilich: der Menge entsprach die Mannigfaltigkeit, und die Stärke wurde Schwäche in gleichem Maß, als die Einheit des Wollens fehlte. Was immer geschehen war und auch in den folgenden Zeiten ganz naturnotwendig geschah, kann zum ersten Male jetzt aus zahlreichen Angaben erkannt werden: daß die Zünfte keine geschlossene Partei bilden, daß auch innerhalb der Zunftwelt weite Spalten sich auftun, Führer und Geführte sind, Ambitionen und Gegnerschaften sich geltend machen und daß, mit wechselndem Gelingen, auch hier stets einige Wenige das Regiment in Händen halten.


Das Schelten des gemeinen Mannes über die Regierenden hatte allezeit stattgefunden, war die Äußerung einer stets vorhandenen Opposition gewesen. Jetzt aber nehmen wir immer mehr Zeichen dieser Unzufriedenheit wahr; soziale gewerbliche politische Parteiungen bildeten sich und regten auf; und wenn bei Einigen die Opposition gegen das Regiment überhaupt ging, so richtete sich der Widerwille des Zünftlers am lebendigsten auf die aus seinem eigenen Kreis emporgekommenen Machthaber. Die Gewalt der Edeln mochte man tragen, so lange sie noch galt, als die Gewalt geborener Herren; gegen einzelne Ratsherren und Meister von Zünften aber wendete man sich mit mißtrauischem Haß, verdächtigte die Ehrlichkeit ihres Reichtums, bezeichnete ihr ganzes

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes erster Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1911, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,1.pdf/168&oldid=- (Version vom 28.8.2016)