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aus diesen Kreisen finden wir in den Zeugenreihen von Urkunden des Bischofs und des alten Vogtsgerichts und Schultheißengerichts; sie haben wir als die Mitglieder des alten städtischen Rates zu vermuten. Diese das Bürgerrecht besitzenden Einwohner bildeten eine Schicht, in welcher der Gleichheit im öffentlichen Recht eine Gleichheit der sozialen Stellung entsprach. Doch bildeten sie keine Kaste, die sich nur durch Geburt vermehrt; Gleichartige konnten sich ihnen anschließen, in das Bürgerrecht aufgenommen werden.

Seit Mitte der 1250er Jahre erscheinen in diesem Kreis einzelne neue Gestalten. Es handelt sich um Fälle, bei denen individuelle Qualitäten entscheiden mochten. Heinrich von Bättwil der Schuhmacher 1255, Heinrich der Schmied 1258, Werner der Schwertfeger zum Schwert 1258 u. s. w. sind solche Bürger neuer Art. Sie bezeugen damit zunächst nur ihre eigene Tüchtigkeit und Ambition. Aber die Fälle mehren sich, und die Umgestaltung des Bürgerbegriffes, die sie ankündigen, steht im Zusammenhang mit der allgemeinen Entwickelung. Auf dem Markte, auf dem Schlachtfelde, vereinzelt auch in Rat und Gericht machen nun die Handwerker von sich reden, zeigen sich, bringen Jedem zum Bewußtsein, daß auch auf ihrer Kraft und auf ihrem Willen das Gedeihen der Stadt ruhe. Sie werden so in der allgemeinen Auffassung zu Städtern, zu Bürgern gleich den Andern.

Das Bürgerrecht ist dabei noch immer das Recht, das die eigentlichen Glieder der Stadtgemeinde bezeichnet. Die Bürger haben den Genuß der libertas civilis, der bürgerlichen Freiheit, das Recht vor keinen fremden Richter gehen zu müssen, den Anspruch, „als ein Burger von Basel“ durch die Obrigkeit vor Gewalt und Unrecht geschirmt zu werden, die Befreiung von Zoll. Was diesen Rechten gegenüber steht, ist vor allem Steuerpflicht und Dienstpflicht. Voraussetzung des Bürgerrechtes ist der Besitz freien Eigens in der Stadt.

Insoweit ist der Bürgerbegriff gegen früher nicht alteriert. Insoweit können daher auch jetzt in vereinzelten Fällen Ritter Bürger heißen, wie z. B. Heinrich Zerkinden 1271 und die Brüder von Straßburg 1276, und redet der Stadtfriede König Rudolfs 1286 von einem Bürgerrechte, das nicht nur Rittern und Burgern, sondern Allen zusteht, die in Basel seßhaft sind.

Aber gerade dies zeigt den Unterschied, der jetzt bemerkenswert ist. Es giebt Bürger, die nicht Burger sind. Die Letztern sind Solche, für die der alte Bürgerrechtsbegriff als eine soziale Kennzeichnung und Aussonderung weiterlebt und, was das Wichtige ist, die ausschließliche Ratsfähigkeit begründet.

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/97&oldid=- (Version vom 1.8.2018)