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Nicht nur im Zustand der Ueberlieferung, auch in der Sache selbst scheint begründet zu sein, daß das Predigerkloster schon früh einzelpersönliches Leben zeigt. Die Richtung zur Gelehrsamkeit, die Beziehung zu höhern Kreisen der Gesellschaft begünstigt das Hervortreten des Individuellen. Eine reiche Reihe von Gestalten steht vor uns im Rahmen dieser ersten Jahrzehnte. Der erste Prior des Hauses, Heinrich von Westhofen, genoß den Ruhm eines unbedenklich tätigen Ketzerverfolgers. Durch Heiligkeit des Lebens leuchtete der Prior Walther, und seinen Tod meldeten die seine Seele geleitenden himmlischen Geister in derselben Stunde den Brüdern in Straßburg. Aber unser Interesse gehört in höherm Grade den durch Studium und Wissen sich auszeichnenden Gliedern des Konvents. Auffallend ist hiebei namentlich die Beobachtung der Natur, die Erkenntnis ihrer Gesetze, der wir begegnen. Der Lesemeister Lütold 1263 und ein junger Mönch 1276 sagen Sonne- und Mondfinsternis voraus. Ein andrer Lesemeister, Heinrich, heißt physicus und medicus; er wird Leibarzt der Königin Anna und hebt ihr Söhnlein Karl aus der Taufe; daneben übt er wunderliche poetische Künste, er kann Verse machen, die sowohl vor- als rückwärts zu lesen sind und auf die eine Weise loben, auf die andre tadeln. Auch der Verfasser der im Kloster entstehenden Annalen ist hier zu nennen; sein Werk ist überreich an Nachrichten über die Natur; er selbst zeichnet eine Weltkarte auf zwölf Pergamentblätter, 1276 verbessert er sie. Andere Gebiete des Wissens vertreten der Bruder Johann als Kompilator eines Rechtshandbuches, und der Prior Heinrich, der für die guten frommen Weiblein deutsche Lieder dichtet. Zu dieser Vorstellung von geistiger Tätigkeit gehört untrennbar das Bild Alberts des Großen, der Basel wiederholt besucht und die Kirche geweiht hat. An einer starken Wirkung seiner Persönlichkeit auf Einzelne ist nicht zu zweifeln.

Alles dies macht klar, daß der Orden von vorneherein höhere Anforderungen an seine Mitglieder stellte, als die Minoriten taten. Es wird damit Zusammenhängen, daß er im allgemeinen auch sozial höher stand, Unterstützung und Nachwuchs meist in andern Kreisen fand als Jene. Wir sehen in Basel Dominikanerbrüder aus den Geschlechtern von Dale, Pfaff, von Pfaffenheim, zu Rhein, unter den Benefaktoren von Titensheim, vom Kornmarkt, von Pfaffenheim, von Eptingen, von Klingen. Ein Thüring (von Ramstein) gehörte dem Orden an; als Prior des Hauses Colmar wurde er 1301 durch das Generalkapitel in Köln, wir wissen nicht wegen welchen Vergehens, auf fünf Jahre aller seiner Ämter beraubt, für fünfundzwanzig Tage auf Wasser und Brot gesetzt und dann nach Ungarn

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)