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Wir möchten uns den Eindruck vergegenwärtigen, den die erste Kunde von Franziskus machte. Franziskaner waren vielleicht unter den frühesten Passanten der jungen Rheinbrücke. Während[WS 1] man dem Domklerus wieder sein Münster baute, unterhielt man sich von diesen neuen Menschen und ihrer Lehre.

Als Kern dieser Lehre, wie sie in der Regel des heiligen Franz verkündet ist, wird zu fassen sein, daß die soweit als möglich gehende Erneuerung des ursprünglichen christlichen Lebens als Ziel gesetzt, für Erreichung dieses Zieles aber nicht die mönchische Abgeschlossenheit, sondern das Hinaustreten in die Welt vorgeschrieben wird. Wie bestimmt Franz beabsichtigte, sein Werk in der reinsten Form des Christentums auszuprägen, geht aus der Fassung der Regel unverkennbar hervor. Immer aufs neue wird die Nachfolge Christi gefordert; seine Weisungen an die Jünger werden wörtlich aufgenommen als Weisungen an die Ordensbrüder. Aus diesem Geiste entspringen die franziskanischen Gebote der Demut und der Armut, und zwar einer Armut, die als ein völliges Nichtsbesitzen für den Einzelnen wie für den Verband Gesetz ist. So zubereitet sollen die Brüder die Welt durchziehen, allem Volke das Christentum der Buße, der Liebe und Entsagung predigen.

Sie zeigten sich nun auch in Basel. Fremde Männer, ärmlich gekleidet, mit einem Strick als Gürtel; sie lebten von erbettelten Almosen; sie predigten, und in ihrer Rede lebte noch die Begeisterung, die sich an Person und Worten ihres Meisters, des milden Heiligen von Assisi, entzündet hatte. Was sie lehrten, war an sich nichts Neues; neu aber war die Art, in der diese Mönche auftraten.

Wenige Jahre nach ihnen kamen andere Männer mit derselben Lehre nach Basel, die Dominikaner. Ihr Wesen war in Manchem ein verschiedenes, es war kluger, bewußter. Aber vereint bedeuteten beide Orden eine gewaltige Bereicherung und Neuerung. In ihnen bemächtigte sich das Mönchtum eines großen Teils der geistlichen Tätigkeit in der Stadt, trat hier dem übrigen Klerus zur Seite und bald entgegen; sie kamen dem Volke nahe, brachten diesem, das bisher nur den Priester und das Sakrament besaß, das Evangelium. Alles dies im Dienste Christi, aber auch durchaus im Dienste der Kirche. Während der politischen und religiösen Kämpfe, die diese Jahrzehnte erschütterten, waren die Mendikanten die treuesten und wirksamsten Streiter des Papsttums. Dazu befähigte sie namentlich auch ihre Organisation. Was sie taten, geschah nach Weisung der Ordensleitung; was sie erwarben, erwarben sie der Kirche, dem apostolischen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wahrend
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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/165&oldid=- (Version vom 1.2.2020)