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den Brüdern zugewiesen. Aber neben ihm bestehen noch andere Aemter, die aus der Reihe der Brüder besetzt werden: der Custos, der Cellerar und Prokurator, der Pleban, der Scholastikus. Die Gesamtheit heißt Konvent, in späterer Zeit vorzugsweise Kapitel. Kurze, vereinzelte Erwähnungen zeigen, wie hier gelegentlich, sei es durch den Bischof, sei es durch das Kapitel selbst, vorkommende Anordnungen gestraft wurden.

Daß diese ganze Welt sich aus niederen Schichten rekrutierte, zeigen die Chorherrenlisten deutlich. Es hindert dies, das Kloster in uns bekannte Beziehungen einzugliedern; aber auch abgesehen hievon waltet ein Gefühl von Leerheit und Dürftigkeit. Nichts von dem Greifbaren und breit Lebendigen, das wir bei den Domherren finden; nichts hinwieder von dem idealen Unpersönlichen eines Minoritenkonvents, wo der Einzelne hinter der Idee vergeht, für die er lebt und Mönch geworden ist. Eine gewisse Deutlichkeit der Erscheinung haben sich nur zwei Leonhardsleute zu verschaffen vermocht: Heinrich von Weißenburg, der von 1279 bis 1294 die Probstwürde inne hatte und an dieser Stelle Vieles für den Bau des Klosters tat, und sein Nachfolger Martin. Dieser begann seine Laufbahn als Kleriker und Gutsverwalter der Familie zur Sonnen, trat ins Leonhardsstift, ward hier Administrator, dann Propst, und brachte es schließlich bis zum Vikar des Bischofs Peter; seine Tüchtigkeit für Alles, was Geschäft und Verwaltung heißt, zeigt sich überall; das Cartular und das Zinsbuch von St. Leonhard sind sein Werk.

Bei solcher Lage der Dinge beachten wir um so eifriger alle Spuren höherer Tätigkeit. Zu erinnern ist an die Versuche von Annalistik, die damals im Leonhardskloster gemacht wurden; an anderer Stelle giebt der Titel des Cartulars von 1295, der alle Regenten der Zeit aufzählt, in seinen Bemerkungen über den wundersamen Einsiedlerpapst Cölestin und sein Beiseiteschieben durch Bonifaz VIII. ein kleines Zeugnis davon, wie hinter diesen Klostermauern die allgemeinen Geschicke der Welt beachtet und erwogen wurden. An die Schule des Stifts ist hier nur zu erinnern; ebenso an sein Spital. In beiden lag eine Tätigkeit für die Außenwelt. Aber das Normale und zugleich das Erste und Hauptsächliche solcher Tätigkeit war die Pfarrei.

Eine Anerkennung des Stiftes St. Leonhard als Pfarrkirche geschah schon 1135 durch Bischof Adelbero damit, daß ihm Sepulturrecht und Kirchhof zugesprochen wurden, welches Recht 1139 die ausdrückliche Bestätigung des Papstes erhielt. Erst später, als die Bevölkerung des Pfarrgebietes zugenommen hatte, gewährte Bischof Lütold 1205 dem Stift auch

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/156&oldid=- (Version vom 1.8.2018)